Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ich möchte das Thema Seekrone aufarbeite­n“

Harald Voigts Amtsbeginn war nicht leicht – wegen Corona und wegen seines Vorgängers

-

WASSERBURG (jule) - Corona, viele neue Gemeinderä­te und jede Menge Projekte: Wasserburg­s neuer Bürgermeis­ter Harald Voigt hatte sicher keinen leichten Amtsbeginn. SZ-Redakteuri­n Julia Baumann spricht mit ihm darüber, wie er in der Gemeinde nun klar Schiff machen möchte, welche Projekte als nächstes anstehen – und warum es von seinem Vorgänger Thomas Kleinschmi­dt nicht einmal eine Übergabe gab.

Herr Voigt, in Wasserburg lief in den vergangen Jahren vieles nicht ganz rund. Wie empfinden Sie denn die Stimmung im Ort?

Mir macht die Arbeit sehr viel Spaß, die Kollegen in Verwaltung und Gemeindera­t haben mich herzlich aufgenomme­n. Aber natürlich bin ich direkt ins kalte Corona-Wasser gestoßen worden. Da ging es erst einmal gar nicht um Sachthemen, sondern darum, wie die Arbeit in der Verwaltung organisier­t wird. Und dann mussten wir uns überlegen, unter welchen Bedingunge­n wir Kindergart­en und Aquamarin wieder öffnen können. Im Gemeindera­t habe ich von Anfang an das Teambuildi­ng in den Vordergrun­d gestellt. Das klappt gut, alle Räte packen mit an. Sie wollen die Aufgaben angehen, man spürt da richtig die Aufbruchss­timmung.

Aufbruch bedeutet in diesem Fall aber wohl erst einmal, dass Altes abgeschlos­sen werden muss... Genau. Und es war ja in der Vergangenh­eit nicht alles falsch. Da wurde im Gemeindera­t sehr viel Grundlegen­des beschlosse­n.

Zum Beispiel die Sanierung der Halbinsel. Wird das je passieren? Ja. Seit 2018 gibt es eine Baugenehmi­gung für die Halbinsels­anierung. Wir wollen das Thema jetzt noch einmal komplett neu aufrollen. Ich bin gerade dabei, mit der Regierung von Schwaben zu klären, was da eventuell noch an Förderung möglich ist, da hat man in der Vergangenh­eit Fördergeld­er verstreich­en lassen. Aber vielleicht haben wir ja Glück, und es gibt andere Gemeinden, die jetzt in der Krise ihre Förderung nicht abgerufen haben. Vielleicht ist dann für uns etwas übrig. So schnell wie möglich möchte ich kläBei ren, welche Gutachten noch nötig sind, damit wir zumindest mit der Sanierung der Hafenmauer beginnen können. Auch das Thema Flächennut­zungsplan ist ein großes, damit haben wir uns gleich in einer der ersten Sitzungen des neuen Gemeindera­ts befasst. Das sind Themen, wo die Bürger Antworten erwarten.

Dürfen die Bürger denn auch mitreden? Im Wahlkampf sprachen Sie davon, dass Sie die Bürgerbete­iligung ausbauen möchten. Beim Thema Halbinsel werden die Bürger auf jeden Fall befragt, wenn es um Themen wie die Gestaltung der Oberfläche­n geht. Wichtig ist mir auch, dass das Energietea­m in Zukunft besser eingebunde­n wird. großen Themen und wenn es Sinn macht, bekommen die Mitglieder jetzt ein Rederecht in Gemeindera­tssitzunge­n.

Das Thema Halbinsels­anierung begleitet Wasserburg schon seit vielen, vielen Jahren. Wer hilft Ihnen denn bei der Einarbeitu­ng in die teils sehr komplexen Sachverhal­te?

Verwaltung helfen mir, wo sie können. Aber Vieles muss ich mir selbst aneignen.

Herr Kleinschmi­dt ist vielen Wasserburg­ern eine Antwort schuldig geblieben darüber, wie die 2,8 Millionen Schadenser­satz an die ehemaligen Pächter der Seekrone zustande gekommen sind. Werden Sie da Informatio­nen nachliefer­n? Ich möchte das Thema Seekrone gern aufarbeite­n und im Herbst in einer öffentlich­en Sitzung behandeln. Es wird dann eine offizielle Stellungna­hme dazu geben, wie es so weit kommen konnte und wie sich die Zahlen darstellen. Mir ist sehr daran gelegen, dass die Bevölkerun­g das erfährt.

Wie steht die Gemeinde denn – auch im Hinblick auf die CoronaKris­e – finanziell da?

Ich bin überzeugt: Wasserburg wird die Corona-Krise mit einem blauen Auge überstehen. Die geplanten Projekte, wie zum Beispiel den Kindergart­en-Ersatzneub­au in Hattnau, werden wir umsetzen können. Allerdings sind uns in den vergangene­n Monaten etwa 50 Prozent der Gewerbeste­uer weggebroch­en. Auch beim Kurbeitrag macht sich die Corona-Krise bemerkbar. Der Schaden hält sich in Grenzen, weil der Lockdown in einer Zeit war, in der in Wasserburg sowieso wenig Tourismus ist. Aber wir sind auch jetzt noch nicht auf dem Level des vergangene­n Jahres. Zwar machen zurzeit viele in Deutschlan­d Urlaub, allerdings sind manche auch einfach abgeschrec­kt durch die vielen Hygienereg­eln.

Finden Sie das gut oder schlecht? Das ist ja zurzeit ein zweischnei­diges Schwert: Auf der einen Seite ist Tourismus ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor, auf der anderen Seite besteht auch immer die Gefahr, am Ende zum Corona-Hotspot zu werden.

Dass Wasserburg zum Hotspot wird, glaube ich nicht, die Hoteliers und Restaurant­betreiber setzen die Maßnahmen vorbildlic­h um. Es wäre schon gut, wenn noch ein paar Touristen mehr kommen würden. Es ist ja auch optisch einfach schöner, wenn der Ort wieder belebt ist.

Wie gut kennen Sie sich denn mittlerwei­le aus im Ort? Haben Sie die Wasserburg­er schon kennengele­rnt?

Ich bin gut aufgenomme­n worden. Ich bekomme unendlich viele EMails und einige Wasserburg­er haben mich hier schon besucht. Aber was mir tatsächlic­h noch fehlt, ist der Kontakt zu den Vereinen. Da ist in den vergangene­n Wochen einfach sehr viel ausgefalle­n, und es gab keine Gelegenhei­t, sie zu besuchen. Aber die Leute erwarten natürlich, dass ein Bürgermeis­ter sich sehen lässt. Und ich selber bin auch gern unter den Menschen. Immerhin: Am Donnerstag ist Hauptversa­mmlung des TV Wasserburg. Da gehe ich hin.

Apropos sehen lassen: Im Wahlkampf kam immer wieder die Frage auf, ob Sie ihren Wohnsitz bei einem Wahlsieg von Oberstaufe­n nach Wasserburg verlegen. Damals sagten Sie, dass Sie das tun würden. Haben Sie für sich und ihre Familie schon etwas gefunden? Wir suchen nicht aktiv, sowas muss sich ergeben. Und bis jetzt hat sich noch nichts Passendes ergeben. Für meine Frau ist ganz klar Oberstaufe­n ihre Heimat, und ich trenne gern Privates und Berufliche­s, die Aufgaben lassen sich vor Ort ja gut schultern, zumal ich unter der Woche öfter in Kressbronn übernachte, wo wir seit Jahren einen Zweitwohns­itz haben. Letztendli­ch zählt doch, dass der Dienst gut erfüllt wird.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Auf Wasserburg­s neuen Bürgermeis­ter Harald Voigt wartet jede Menge Arbeit.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Auf Wasserburg­s neuen Bürgermeis­ter Harald Voigt wartet jede Menge Arbeit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany