Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mit Anstupsern die Psyche austricksen
Wie sich die Selbstkontrolle im Alltag verbessern lässt
BERLIN (dpa) - Eigentlich stand doch eine morgendliche Joggingrunde auf dem Plan. Glatt vergessen! Und eigentlich wollte ich weniger naschen – und habe trotzdem wieder zugegriffen. Mit Selbstkontrolle im Alltag ist es manchmal nicht weit her.
Doch man kann sich mit kleinen Tricks zu mehr Disziplin verhelfen – in dem man sich im sogenannten Self-Nudging übt. Nudge ist Englisch und bedeutet übersetzt: Stupser. Man gibt sich also kleine Stupser, um sich auf die Sprünge zu helfen.
„Das Wichtigste ist, dass sie relativ einfach und intuitiv sein und eine klare psychologische Botschaft haben müssen, damit wir sie auch umsetzen können“, erklärt Professor Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Er schildert ein Beispiel: „Ich möchte nach dem Aufstehen laufen gehen und vergesse das oft – wie kann ich das umgehen?“Eine Option sei, die Sportschuhe direkt vor das Bett stellen. „So kann man sie nicht übersehen.“
Der Wissenschaftler hat mit dem finnischen Philosophen Samuli Reijula eine Facharbeit zu diesem Thema geschrieben. Eine wichtige Botschaft daraus: Jeder kann seine unmittelbare Umgebung so verändern, dass gewünschte Entscheidungen leichterfallen.
Beispiel Kühlschrank – wie verhindert man nach dem Öffnen den Griff zur Salami oder zur Schokolade? Ganz einfach, in dem man sie aus dem unmittelbaren Blickfeld räumt. „Augenhöhe ist Verkaufshöhe heißt es im Supermarkt-Marketing“, sagt Hertwig. Was man weniger konsumieren möchte, legt man also im
Kühlschrank an eine Stelle, die man beim Öffnen erst einmal nicht sehen kann. „Und stattdessen lege ich etwa ein Stück Obst oder Gemüse auf Augenhöhe“, schlägt Hertwig vor. „So wird man zum Entscheidungsarchitekten seines eigenen Kühlschranks. Das kann ja auch Spaß machen, mit sich selbst und seiner Umwelt zu experimentieren.“
Ein anderes Werkzeug zum Selbst-Anstupsen ist es, Alltäglichkeiten in einen bestimmten Deutungszusammenhang zu stellen. Forscher sprechen von Framing. Herwig erklärt das am Beispiel: „Ich bin kein großer Treppengeher. Aber seit ich das für mich so frame, dass jeder Schritt ein Stück weit meine Lebenserwartung erhöht, hat sich das geändert.“Eine Treppe sehe er inzwischen als willkommene Gelegenheit. „Ich freue mich fast darüber.“