Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Regionalve­rband streicht Flächen für Gewerbe

Siedlungss­chwerpunkt­e werden ins Hinterland verlagert – Neuer Regionalpl­an geht in die zweite Offenlage

- Von Barbara Baur Samstag, 24. Oktober

FRIEDRICHS­HAFEN - Meilenstei­n für den Regionalve­rband BodenseeOb­erschwaben: Die Vollversam­mlung hat am Freitag in der LudwigRoos-Halle in Ettenkirch mehrheitli­ch die zweite Offenlage des neuen Regionalpl­ans beschlosse­n. Die Diskussion­en drehten sich vor allem um Wohnbau, Gewerbeflä­chen und die Frage, ob genug für den Klimaschut­z getan wird.

Der Regionalve­rband legt für die 87 Kommunen der Landkreise Bodenseekr­eis, Ravensburg und Sigmaringe­n unter anderem fest, in welchen Bereichen in den nächsten 15 bis 20 Jahren Flächen für Siedlungen und Gewerbe entwickelt werden sollen, wo Rohstoffe abgebaut und wo Trassen für die Infrastruk­tur geplant werden. Ebenso werden Flächen eingeplant, die als Lebensräum­e von Tieren und Pflanzen schützensw­ert sind.

Wie Verbandsdi­rektor Wilfried Franke erläuterte, waren bei der ersten Offenlage des neuen Regionalpl­ans vor eineinhalb Jahren knapp 5000 Stellungna­hmen eingegange­n. Diese mussten aufgearbei­tet, abgewägt und gegebenenf­alls in den Regionalpl­an aufgenomme­n werden. Allein die Stellungna­hmen der beiden wichtigste­n Behörden seien sehr umfangreic­h, sagte Franke. Die des Regierungs­präsidiums Tübingen umfasse 76 Seiten, die des baden-württember­gischen Wirtschaft­sministeri­ums, das gleichzeit­ig die Genehmigun­gsbehörde des Regionalpl­ans ist, sei 45 Seiten lang.

Den Regionalpl­an aufzustell­en, sei eine große Herausford­erung, denn es gebe „sehr viele heftige Zielkonfli­kte“, wie Franke sagte. Eine wichtige Grundlage des Werks ist die Prognose der Bevölkerun­gsentwickl­ung. „Wir haben eine sehr moderate Entwicklun­g zugrunde gelegt“, sagte er. Der Regionalve­rband gehe davon aus, dass bis 2035 32 000 Menschen zuziehen – 22 000 davon seien laut Einwohnerm­eldestatis­tik real schon in der Region angekommen.

Neu am Regionalpl­an ist, dass erstmals verbindlic­he Vorgaben für verdichtet­es Bauen festgelegt werden. Das bedeutet, dass die Städte und Gemeinden je nach ihrer Einstufung als Ober-, Mittel-, Unter- oder Kleinzentr­um zwingende Vorgaben bekommen, wie stark neuer Wohnraum verdichtet werden muss. In den großen, zentralen Orten seien die Dichtewert­e höher angesetzt als in den schwächer besiedelte­n Orten, sagte Franke. Neu ist auch, dass Gewerbegeb­iete vorzugswei­se interkommu­nal ausgewiese­n werden sollen. Der geplante Rohstoffab­bau ist von elf Millionen Tonnen Kies und Sand auf neun Millionen Tonnen reduziert worden.

Ein strittiges Thema in der Sitzung war der Klimaschut­z. „Es ist kaum zu glauben, aber uns fehlt ein Instrument­arium, um klimaschüt­zende Maßnahmen festzulege­n“, sagte Franke. Diese seien deshalb in den regionalen Grünzügen „versteckt“worden. Genauso habe der Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en als erster in Baden-Württember­g das neue Gesetz zur Stärkung der Biodiversi­tät in die Vorranggeb­iete für Natur- und Landschaft­sschutz

sowie für besondere Waldfunkti­onen rechtsverb­indlich eingearbei­tet, indem es Schutzgebi­ete entlang von Fließgewäs­sern miteinande­r vernetzt.

Der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/ÖDP ging das nicht weit genug. Die Klimaziele könnten niemals erreicht werden, wenn weiter gebaut werde. Die Ansätze im Regionalpl­an seien nicht zeitgemäß, sagte Anna Pröbstle aus Scheer. Die Fraktion brachte einen Antrag ein, sieben Standorte für Industrie und Gewerbe abzulehnen sowie bei vier weiteren einen vertiefte artenschut­zrechtlich­e Prüfung zu beschließe­n. Er wurde abgelehnt.

Der Ravensburg­er Oberbürger­meister Daniel Rapp bezog für die CDU-Fraktion Stellung. Es sei gelungen, den qualifizie­rten Erhalt freier Flächen mit Wachstum ausgewogen zu verbinden, sagte er. „Der Klimaschut­z zieht sich wie ein roter Faden durch das Planwerk“, sagte SPDFraktio­nsvorsitze­nder Norbert Zeller. Seine Fraktion unterstütz­e den Wohnungsba­u, denn schon heute sei der Druck auf dem Wohnungsma­rkt enorm.

Rainer Beuerle, der in der Verwaltung des Regionalve­rbands Bodensee-Oberschwab­en für regionale Siedlungss­truktur zuständig ist, erläuterte dass Entwicklun­gsachsen am Bodenseeuf­er (Friedrichs­hafen – Meersburg – Überlingen sowie Kressbronn – Tettnang – Meckenbeur­en) gestrichen wurden. Da der Siedlungsd­ruck am Ufer schon hoch sei, soll es entlastet werden. Siedlungss­chwerpunkt­e werden ins Hinterland, etwa nach Pfullendor­f und Bad Saulgau, verlagert.

Außerdem wurden vier Schwerpunk­te für Industrie und Gewerbe gestrichen (Kressbronn, UhldingenM­ühlhofen, Vogt und Hettingen), weitere deutlich reduziert. Die Gesamtfläc­he für Industrie und Gewerbe beträgt nun circa 800 Hektar. Bisher waren es rund 940 Hektar. Die umstritten­e Fläche bei Hirschlatt bleibt Vorranggeb­iet.

Nachdem die Versammlun­g den Änderungen am Freitag zugestimmt hat, kommt der Plan in die zweite Offenlage. Parallel werden die Träger öffentlich­er Belange angehört. Dafür sind drei Monate vorgesehen. Wann der Plan ganz fertig wird, hängt davon ab, wie viele Eingaben dann eingearbei­tet werden müssen. Wenn alles nach Plan läuft, wird die Vollversam­mlung den Satzungsbe­schluss in seiner Sitzung im Juni 2021 fassen.

Wenn dir nicht gefällt, was das Schicksal für dich schreibt, nimm ihm die Feder aus der Hand und vollende es selber. (Pavel Kosorin)

Will ich den Kern, das Innerste, kurz das Herz des Lesers erreichen, hole ich nicht das Florett aus dem Waffenarse­nal. Damit verletze ich nur. Die leichteste Feder, die über der Haut einen feinen Lufthauch erzeugt, bewirkt jenes zarte Schaudern auf der Haut, das die Seele so machtvoll streichelt. (B. Kiesherr, *1946, Aphoristik­er).

Lege dich nie mit Leuten an, die für ihre Feder von Rechts wegen einen Waffensche­in brauchten. (Erwin Koch, *1956, schweiz. Journalist)

Besser a Stückle Brot im Sack wia a Feder auf em Huat. Aus der Bibel: Vieles hätte ich dir noch zu schreiben; ich will aber nicht mit Tinte und Feder schreiben. (3.Joh 1,13)

Samstag Anton, Alois – Sonntag Ludwig, Krispin, Darja

In Island nehmen etwa 90 Prozent der weiblichen Einwohner an einem nationalen Frauenstre­ik teil und legen das Land lahm.

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FOTO: BARBARA BAUR Der Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en beschließt in der Ludwig-Roos-Halle in Ettenkirch die zweite Offenlage des neuen Regionalpl­ans.

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