Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Nicht jede Rotznase muss daheimbleiben
Hustet der Nachwuchs in Zeiten von Corona, dann müssen die Eltern entscheiden: Kann er in den Kindergarten oder in die Schule? Muss er zum Doktor? Der Kinderarzt Professor Josef Rosenecker klärt auf
Wie erkenne ich Corona-Symptome beim Kind?
Laut Josef Rosenecker, Leiter der Klinik für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie in Wangen im Allgäu, ist Husten das häufigste Symptom bei einem Kinderarztbesuch. Eltern können durchaus unterschiedliche Ursachen erkennen. Pseudokrupp äußert sich in ungewohnten, bellenden Lauten, Keuchhusten (Pertussis) in einem Stakkatohusten. Beide Krankheiten kommen häufiger bei Säuglingen und Kleinkindern vor als bei Schulkindern. Ein feuchter, produktiver Husten ist ein Anzeichen für eine Bronchitis. Kommt Fieber hinzu, gilt immer: ab zum Kinderarzt, der dann entsprechende Tests veranlassen wird. Schnupfen ist, allerdings mit weitem Abstand, das dritthäufigste Symptom einer Covid-19-Erkrankung. Seltener kommen Rachenentzündungen, Durchfall, Erbrechen, Gliederschmerzen oder Abgeschlagenheit hinzu.
Wie stark sind Kinder von einer Infektion durch das Coronavirus betroffen?
Nur sehr gering. Je jünger Kinder sind, desto seltener erkranken sie an Covid-19. Wie Josef Rosenecker sagt, gibt es nach allen aktuellen weltweiten Auswertungen nur „sehr wenig kritisch kranke Kinder“. Auch die Sterberate ist äußerst niedrig. Selbst in Italien, wo die Krankheit früh und stark wütete, sei kein einziges Kind unter neun Jahren gestorben. Laut Zahlen auf „Spiegel online“von vergangener Woche gibt es in Deutschland
nur zwei Todesfälle unter 20 Jahren. Insgesamt sind die Verläufe viel milder als bei erwachsenen Patienten.
Warum erkranken Kinder seltener als Erwachsene?
Nach derzeitigem Stand der Forschung sind Kinder und Jugendliche unempfänglicher für eine Infektion. Eine wahrscheinliche Ursache ist, dass die Anzahl der sogenannten ACE2-Rezeptoren in der Nasenschleimhaut noch klein ist und erst im Laufe der Lebensjahre zunimmt. An diesen Rezeptoren docken aber die Spike-Proteine des Coronavirus an, um die Zellen zu infizieren. Spike-Proteine sind die länglichen Zapfen auf dem kugeligen Virus.
Wie ansteckend sind Kinder? Rosenecker bestätigt die Aussage von Familienministerin Franziska Giffey vom 16. Oktober: „Kinder sind keine Infektionstreiber.“Eine Übertragung von Kind zu Kind sei äußerst selten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Erwachsener bei einem Kind ansteckt, ist geringer als andersherum, also von Erwachsenem zum Kind. Kinder selbst steckten sich in 81 Prozent der Fälle über die Eltern an.
Die Infektiosität besonders von Masern ist laut Zahlen des Robert-KochInstitus (RKI) um ein Vielfaches höher als von SARS-CoV-2 (Coronavirus). Auch die Ansteckungsgefahr von Pocken, Kinderlähmung, Mumps, HIV/Aids, SARS sowie Influenza ist größer.
Welche Erfahrungen hat man in den Kindergärten und Kitas während der Notbetreuung im Frühjahr 2020 gemacht?
Allgemein gilt nach statistischen Erhebungen:
Kindergärten und Schulen sind nicht die Orte, an denen sich Kinder anstecken. Eine Infektion erfolgt meistens zu Hause.
Laut der Jugend- und Familienkonferenz 2020 „ist als Rahmenbedingung zu akzeptieren, dass sich das Distanzgebot in der Arbeit mit Kindern bis zur Einschulung nicht umsetzen lässt“. Kinder würden verunsichert und ließen sich nicht mehr umarmen beim Trösten.
Etwa die Hälfte aller befragten Leitungen gab an, dass die pädagogischen Fachkräfte in der Notbetreuung keine Masken trugen. (Foto: WZKliniken) leitet seit Mitte September die Klinik für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie sowie die Bereiche Allergologie und Pneumologie der Rehabilitationsklinik für Kinder und Jugendliche an den Waldburg-Zeil Fachkliniken Wangen. Seine Schwerpunkte sind unter anderem Allergologie, Neurodermitis, Asthma, Mukoviszidose und Lungenprobleme nach Frühgeburt. Der 61-jährige gebürtige Niederbayer hat an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Humanmedizin studiert und ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen sowie Herausgeber zweier Lehrbücher über Kinderheilkunde. (bil)