Schwäbische Zeitung (Tettnang)
China ist die Hoffnung
Automobilunternehmen und Maschinenbauer aus dem Südwesten blicken optimistisch auf die anziehende Konjunktur in der Volksrepublik
FRANKFURT - Die Stimmung in den Chefetagen chinesischer Unternehmen ist so gut wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Das hebt auch die Stimmung am deutschen Aktienmarkt, denn für die deutsche Industrie bleibt China einer der wichtigsten Handelspartner. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe kletterte im Oktober um 0,6 Punkte auf 53,6 Punkte. Seit fast zehn Jahren hat der Index nicht mehr so weit über der kritischen Marke von 50,0 Punkten gelegen. Liegt der Wert unter 50 Punkten, schrumpft die Wirtschaft, liegt er darüber, wächst sie. Dieser von Caixin/Markit veröffentlichte Index erfasst vor allem kleinere und exportorientierte Firmen.
China hat nach offiziellen Auskünften das Coronavirus weitgehend im Griff. Die Wirtschaft hat sich erholt, allein im dritten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt um 4,9 Prozent nach 3,2 Prozent im zweiten Quartal. Die gute Stimmung in der chinesischen Wirtschaft sei ein „hoffnungsvolles Zeichen“, kommentiert Martin Lück, „China ist als erstes Land in die Krise gerutscht, es kommt als erstes wieder aus der Krise heraus“, meint der Chefanlagestratege für Blackrock Deutschland. Davon profitieren vor allem die exportorientierten Branchen in Deutschland, also die Autoindustrie, der Maschinen- und Anlagenbau als auch Elektrotechnik und Chemie. So hat die gute Entwicklung in China Daimler das dritte Quartal gerettet. 700 000 Mercedes hat der Stuttgarter Autobauer allein im vergangenen Jahr auf dem weltgrößten Automarkt abgesetzt, das war mehr als doppelt so viel wie im zweitgrößten Markt, den USA. So erwartet Daimler-Chef Ola Källenius in den nächsten zehn Jahren das größte Wachstum in China. Volkswagen ist noch stärker von Wohl und Wehe der Volkswirtschaft dort abhängig, denn zwei Fünftel seiner Autos verkaufen die Wolfsburger im Reich der Mitte.
Wie für die Autoindustrie ist China auch für den deutschen Maschinenund Anlagenbau zweitwichtigster Exportmarkt nach den USA. „In den ersten acht Monaten sind die Exporte nach China um 9,2 Prozent gesunken und damit geringer als in die EU-Staaten“, sagt Ulrich Ackermann, Abteilungsleiter Außenwirtschaft beim Branchenverband VDMA. 850 Unternehmen seien über Tochtergesellschaften in China engagiert, davon produzieren etwa 350 vor Ort. Von den 850 Firmen seien zwei Fünftel inzwischen überzeugt, dass sie im laufenden Jahr ihre Wachstumsziele erreichen könnten, für das kommende Jahr erwarten 35 Prozent ein besseres Geschäft als 2020 und 2019. Auch der zweite Lockdown in Deutschland dürfte daran wenig ändern, glaubt der VDMA-Experte. Denn zum einen sei jetzt die Industrie nicht betroffen. Zum anderen aber erinnert er sich: „Die größten Schwierigkeiten hatten wir im ersten Lockdown im Frühjahr nicht mit China“, sagt Ackermann, „sondern mit Italien.“Allerdings laufe aktuell auch der Austausch mit China wegen der chinesischen Einreiserestriktionen nicht ohne Probleme. Deutlich machen die Experten aber auch: Auch Chinas Wirtschaft dürfte in den nächsten Monaten an Schwung verlieren, denn auch sie ist angewiesen darauf, dass die Wirtschaft im Rest der Welt wieder anzieht.