Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Friedrichshafen setzt mehr Schulbusse ein
Trotzdem sind zu Stoßzeiten manche Busse voll – Betreiber fordern gestaffelte Schulanfangszeiten
FRIEDRICHSHAFEN - Strenge Hygienekonzepte für Klassenräume – aber dichtes Gedränge in den Schulbussen und auf dem Weg dorthin. Seit Wochen bemängeln Eltern, dass die Schulbusse überfüllt sind und die Kinder die Corona-Abstandsgebote nicht einhalten können. Aber müssen sich die Kinder wirklich in überfüllte Busse quetschen? Zu Stoßzeiten ja, sagt eine Elternbeirätin. Dabei sind schon zusätzliche Busse unterwegs.
Abstand, Hygiene, Alltagsmaske – die AHA-Formel ist Schulkindern mittlerweile wohl vertrauter als so manche Rechenregel. Auf dem Hinund Rückweg zur Schule scheinen die Coronaregeln aber nicht mehr zu gelten. Dichte Schlangen an den Haltestellen und völlig überfüllte Schulbusse, so der Vorwurf mancher Eltern auf Facebook. Für das Coronavirus wären das geradezu paradiesische Zustände.
Aber wie ist die Situation nun wirklich? Freitagmittag am Bahnhof Friedrichshafen: Im Minutentakt rollen Busse an die Haltestellen. Viele von ihnen sind recht leer, ein paar sind gut gefüllt. Aber kein Bus ist so voll, dass Kinder darin dicht gedrängt auf den Gängen stehen müssen. An den Haltestellen halten sich allerdings die wenigsten Kinder und Jugendlichen an die Abstandsregeln. Jungs klatschen sich ab, Mädchen umarmen sich. Sobald sich die Bustüren öffnen, geht das Gedränge los. Aber trotzdem ist kein Bus überfüllt, wenn er den Bahnhofsplatz wieder verlässt.
Brigitte Jahnel bestätigt diese Beobachtung. „Aber es kommt auf die Tageszeit an“, sagt sie der SZ. Denn völlig unrecht hätten die Eltern nicht. Jahnel ist Elternvertreterin am Karl-Maybach-Gymnasium und hat sich bei anderen Elternvertretern umgehört. Ihr Fazit: Zu Stoßzeiten seien manche Schulbusse tatsächlich überfüllt. Zum Beispiel sei die Seelinie von Überlingen nach Friedrichshafen morgens „rappelvoll.“
Die Lösung des Baden-Württembergischen Verkehrsministeriums: ein Förderprogramm. Zur Finanzierung zusätzlicher Busse stellt das Land zehn Millionen Euro zur Verfügung. Völlig wahllos können Landkreise und Städte nun aber keine neuen Busse kaufen. Das Geld für Zusatzbusse gibt es nur, wenn momentan alle Sitzplätze und 40 Prozent der Stehplätze belegt sind.
Die Friedrichshafener Stadtwerke setzen derzeit im Schülerverkehr morgens und mittags alle 24 Busse des Stadtverkehrs Friedrichshafen sowie acht weitere Verstärker-Busse mit hoher Kapazität ein, bei denen noch nicht einmal alle Sitzplätze belegt sind, teilt Sprecher Sebastian Dix der SZ mit. Auch der Dienstleister Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB) hat zu den Spitzenzeiten alle verfügbaren Fahrzeuge und alle verfügbaren Busfahrer im Einsatz. „Mehr geht nicht,“sagt Dix. Er kennt die tatsächlich gemessenen Fahrgastzahlen genau. Von einer „massiven Überfüllung“in den Stadtverkehrs-Bussen könne keine Rede sein.
Zu einzelnen Engpässen komme es auf der Linie zwischen Stadtbahnhof und Berufsschulzentrum, sagt Dix. Dieses Problem habe sich verschärft, seitdem dort erst kürzlich alle Schulanfangszeiten vereinheitlicht wurden. „Ein gestaffelter Schulbeginn würde das Problem deutlich mildern“, meint Stadtverkehr Friedrichshafen-Geschäftsführer Norbert Schültke. Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat einen gestaffelten Unterrichtsbeginn gefordert. Damit werde zusätzlicher Raum fürs Abstandhalten geschaffen und der Gesundheitsschutz im ÖPNV gestärkt, heißt es in einer Mitteilung.
Steffen Rooschüz, Rektor der Merianschule und gleichzeitig Geschäftsführender Schulleiter in Friedrichshafen, kennt die Diskussion und die Thematik. „Vereinzelt kamen mir Beschwerden zu Ohren“, sagt er der SZ. Seines Wissen betreffe es aber nur vereinzelte Linien. Auch Brigitte Jahnel ist von den gestaffelten Anfangszeiten nicht restlos überzeugt. „Theoretisch klingt das super“, sagt sie. Aber praktisch wäre das allein schon für die Schulen ein organisatorisches Problem. „Die müssen ja auch ihre Stunden planen.“
Seit April gilt in Bussen und Bahnen die Maskenpflicht. Die wird von den Busfahrern kontrolliert, sagt Dix. Ohne korrekt getragene Maske dürfe niemand mitfahren. Allerdings, und das betont er: Verstöße dagegen seien die absolute Ausnahme. Brigitte Jahnel erzählt dagegen von einem Schulkind, das seinem Vater wiederum von einem Insassen erzählt hat, der seine Maske unter der Nase trug. Als „beunruhigend“habe das Kind diese Situation empfunden.
Von flächendeckend überfüllten Schulbussen und eingequetschten Schülern kann man in Friedrichshafen nicht sprechen. Aber auf einzelnen Linien gibt es das Problem durchaus. In Panik bricht Steffen Rooschüz aber noch nicht aus: „Ich glaube einfach, derzeit gibt es für das Thema eine hohe Sensibilität“, sagt Steffen Rooschüz. Ernst nehmen müssenman die Sorgen der Eltern aber definitiv. Brigitte Jahnel hat derweil einen ganz pragmatischen Tipp: einfach mal das Rad nehmen.
Sei stark und gerüstet auf jedem Gebiet und pflege das Leben, wo du es antriffst. Bekümmere dich um die Deinen und halte dich selber aufrecht, auf dass dein Herz erleuchtet werde in der Sonne. Gib die Sorge für die dir Anvertrauten nicht auf. (Hildegard von Bingen, 1098 – 1179, Äbtissin u. Kirchenlehrerin)
Pflege Deine Gedanken, wie der Gärtner seinen Garten. Dabei achte auf die Früchte genauso wie auf das Unkraut. (Sprichwort)
Der Waffenstillstand von Compiègne beendet 1918 die Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg.