Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Erinnerungen eines Hoffnungsträgers
Barack Obama veröffentlicht seine Memoiren und erklärt den Aufstieg Trumps
WASHINGTON - Eine Sache gehört auf ewig zu Barack Obama: „Yes, we can!“. Der gefeierte Hoffnungsträger und sein Slogan von 2008. Der Spruch, blendet Obama in seinen Memoiren zurück, habe ihm anfangs überhaupt nicht gefallen. Die Idee kam von David Axelrod, dem Wahlkampfstrategen. In seinen Ohren habe es kitschig geklungen. Seine Frau Michelle habe ihn vom Gegenteil überzeugt.
Fast vier Jahre nach dem Auszug aus dem Weißen Haus legt der Altpräsident mit „A Promised Land“seine Memoiren vor. In denen blickt Obama auch kritisch zurück. Manchmal so ironisch im Ton, als wäre er nicht der Hauptakteur auf der Washingtoner Bühne gewesen, sondern ein bisweilen amüsierter Beobachter des Politikbetriebs mit all seinen menschlichen Schwächen und Eitelkeiten. Er wolle den Vorhang ein Stück beiseiteziehen und verdeutlichen, dass die Präsidentschaft auch nur ein Job sei, mit Erfolgen, Enttäuschungen und Spannungen in einem Weißen Haus, in dem eben auch mal Mist gebaut werde wie anderswo auch. Obama schreibt dabei auch über die Zweifel, die ihn im Amt immer wieder befielen, auch wenn sie nicht zum selbstbewussten „Yes, we can!“passen wollten.
Ein ums andere Mal habe er sich gefragt, ob er tatsächlich der Richtige fürs Oval Office sei. Ob er sich zu Beginn seiner Laufbahn vor allem deshalb für ein Wahlamt beworben habe, weil er sein Ego befriedigen wollte. Ob er neidisch gewesen sei auf anderer Leute Erfolg.
Dass Obama gründlich abwägt, in aller Ruhe über Pro und Kontra diskutiert, bevor er Entscheidungen trifft, weiß man spätestens seit seiner Zeit im Oval Office. Seine Auftritte beim White House Correspondents‘ Dinner, bei dem die Mächtigen ihre Fähigkeit zur Selbstironie unter Beweis stellen müssen, sind inzwischen Legende. Nachdenklichkeit und Humor ziehen sich denn auch wie rote Fäden durch seine Memoiren.
„Wofür?“, kommentiert er den Friedensnobelpreis, der ihm schon im ersten Amtsjahr verliehen wird. Die Ehrung verdeutlicht ihm, wie hoch die Erwartungshaltung ist, was für eine Kluft zwischen ihr und der Wirklichkeit klafft. In welch heikler Lage er das Staatsruder übernahm, nach der Finanzkrise in der schwersten Rezession seit sieben Dekaden, bringt er durch das Zitat eines Freundes auf den Punkt. Die USA gebe es nun schon seit 232 Jahren, zitiert Obama ihn, „aber sie warten, bis das Land auseinanderfällt, ehe sie es einem Bruder anvertrauen“. Mit dem Bruder, „the brother“, ist der erste Schwarze im Oval Office gemeint.
Nach dem Crash, schildert Obama, habe er einen Strukturwandel angepeilt. Seine Wirtschaftsberater hätten ihm jedoch abgeraten, insbesondere davon, jene Wall-Street-Banker zur Rechenschaft zu ziehen, deren Casino-Mentalität die Krise verursacht hatte. Jeglicher Versuch, „alttestamentarische Gerechtigkeit“walten zu lassen, würde unter ohnehin schon verunsicherten Marktteilnehmern Panik auslösen. Linken Idealisten habe das natürlich nicht gefallen, doch zum Teil habe die Ernüchterung wohl auf einem Missverständnis beruht. Ein Revolutionär sei er nicht gewesen, sondern ein Reformer, „dem Temperament nach konservativ“.
Obama spannt einen Bogen vom Beginn seines Politikerlebens bis zum Mai 2011, als er sich in Kentucky mit den Navy Seals trifft, die das Anwesen Osama bin Ladens im pakistanischen Abbottabad gestürmt hatten. Um das Erlebte in angemessener Detailgenauigkeit Revue passieren zu lassen, begründet er die Zeitspanne, reiche ein Buch schlicht nicht aus. Die zweite Amtszeit soll in einem zweiten Wälzer behandelt werden. Was Obama gleichwohl schon jetzt unter die Lupe nimmt, ist das Phänomen Donald Trump. Die Tatsache, dass ein New Yorker Baulöwe es ins höchste Staatsamt schaffte.
Es begann mit Sarah Palin, der populistischen Gouverneurin Alaskas, die 2008 für die Vizepräsidentschaft kandidierte. Damals sei ihm schnell klar geworden, schreibt Obama, dass sie bei keinem Thema, das mit dem Regieren zu tun hatte, „die geringste Ahnung hatte, wovon sie eigentlich sprach“. Der großen Mehrheit der Konservativen habe das indes nichts ausgemacht. Wann immer Zweifel an Palins Kompetenz laut wurden, sei dies als „Beweis eines liberalen Komplotts“interpretiert worden. Es folgte die Rebellion der Tea-Party-Bewegung,
die sich vordergründig gegen staatliche Konjunkturprogramme und einen wachsenden Schuldenberg richtete, deren Wut Obama indes mit rassistischen Ressentiments erklärt.
Die Totalopposition der Republikaner, die unter dem Einfluss der Tea Party erst recht nicht zur Kooperation mit ihm bereit waren, charakterisiert er als Beobachter, der sich durch Wortblasen nicht täuschen lässt. „Diese emotionale, beinahe instinktive Reaktion auf meine Präsidentschaft hatte nichts mit politischen oder ideologischen Gegensätzen zu tun. Es war, als hätte meine Gegenwart im Weißen Haus eine tief verwurzelte Angst geweckt, als glaubten meine Gegner, die natürliche Ordnung der Dinge löse sich auf.“
Trump habe das begriffen, als er die Behauptung verbreitete, Obama sei nicht in den USA zur Welt gekommen und daher kein rechtmäßiger Präsident. „Er versprach Millionen von Amerikanern, die wegen eines schwarzen Mannes im Weißen Haus verschreckt waren, ein Elixier zur Behandlung ihrer ethnischen Ängste.“