Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Löws Plan ist gescheitert
Die Bundesregierung appelliert derzeit in Videoclips dafür, zu Hause zu bleiben und einfach mal nichts zu tun. Diesen Rat hätte auch die Fußball-Nationalmannschaft befolgen sollen, die sich stattdessen Dienstagnacht entschied, einfach mal im Ausland nichts zu tun. Bei der 0:6-Schmach in Spanien ergab sich das Team von Joachim Löw derart wehrlos und ohne jedwedes taktisches Vermögen in sein Schicksal, dass man meinen könnte, ein Komiker habe es dazu aufgefordert, das 7:1 gegen Brasilien von der WM 2014 nachzustellen oder das 8:2 der Bayern kürzlich gegen Barcelona – nur eben aus Sicht der Gegner. Natürlich fehlten insgesamt acht Spieler, etwa Kimmich, Rüdiger, Havertz oder die Leipziger Klostermann und Halstenberg, nur: Die defensiven, taktischen und vor allem kommunkativen und hierarchischen Defizite der Deutschen waren bereits zuvor offengelegt worden, beim 3:3 gegen die Schweiz etwa.
Es gibt drei Spieler, die diese Mängel mit fast maßgeschneiderten Profil beheben könnten – Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller. Sie haben über Jahre bewiesen, dass sie zu den elf besten Fußballern in Deutschland gehören. Die Aufgabe des Bundestrainers ist es nun, diese Besten auch aufzustellen. Löw wollte nach der WM-Pleite 2018 eine Totalverjüngung einleiten und bootete alle Routiniers aus, spätestens nach der höchsten Niederlage einer DFB-Elf seit 89 Jahren aber darf er erkennen, dass sein Vertrauen in die Jugend vorschnell und naiv war – und nicht mit Qualität einherging. Die Talente haben ihre Chance nicht genutzt, sein Plan ist gescheitert.
Sollte Löw, der in Sevilla am Spielfeldrand seltsam passiv und emotionslos wirkte, nicht bald einlenken, müssen der DFB und Präsident Fritz Keller, allerdings ausgewiesener Freund des MitFreiburgers, Alternativen erwägen. Löw ist seit 2006 Bundestrainer, er wurde 2014 Weltmeister, aber er ist nicht sakrosankt. Zumal dann nicht, wenn eine titelhungrige Alternative wie Taktikguru Ralf Rangnick parat steht – womöglich auch Thomas Tuchel oder Hansi Flick, dem beim FC Bayern vor lauter Erfolgen die Herausforderungen ausgehen. Nur eines ist keine Lösung: nichts tun.
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