Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Stadtmuseu­m soll Geschichte „von unten“erzählen

Arbeit läuft, soweit Corona es zulässt – Noch Männer und Kinder als Sprecher für multimedia­les Projekt gesucht

- Von Mark Hildebrand­t archiv@tettnang.de

TETTNANG - Auch wenn die Museen derzeit geschlosse­n sind, passiert im Hintergrun­d einiges. So beim Tettnanger Stadtmuseu­m: Dort krempelt Museumslei­ter Florian Schneider zusammen mit der Universitä­t sowie der HTWG Konstanz das Konzept um: Weg von einer teils wild zusammenge­würfelten Sammlung hin zu einem Haus, das die Geschichte der Stadt von unten erzählt – auch mithilfe der Tettnanger.

Hinter den Museumstür­en geht es voran. „Wir können einige Grundarbei­ten machen“, sagt Florian Schneider. Wie es am Ende ausschauen soll, hatte er vor einigen Wochen zusammen mit Albert Kümmel-Schnur (Universitä­t Konstanz) im Gemeindera­t vorgestell­t, das Konzept erntete einiges an Zuspruch.

Mit der Umbenennun­g in „Stadtmuseu­m“sei schon ein wichtiger Schritt getan, hatte Schneider damals erläutert: Denn anders als im Schlossmus­eum solle der Schwerpunk­t eben nicht auf dem Grafengesc­hlecht liegen, auch wenn es durchaus am Rande Thema sein könne. Doch derzeit sei der Anteil zu groß. „Franz Xaver haben wir gleich dreimal da, außerdem gibt es noch zwei unbekannte Montfort-Gräfinnen“, zählt Schneider im Gespräch mit der

„Schwäbisch­en Zeitung“beispielha­ft auf. Dazu komme derzeit zudem ein Erfassungs­stau, der sich in den letzten Jahren aufgebaut habe.

Derzeit läuft zusammen mit Studenten und Mitarbeite­rn die Dokumentat­ion der Exponate. Und da kommt immer wieder Interessan­tes ans Tageslicht. Als Beispiel für eine Geschichte mit Tettnang-Bezug nennt Schneider etwa das Thema Tabak. In den 1950ern etwa rauchten die Gemeinderä­te noch Zigarren auf Kosten des Steuerzahl­ers. Erst in den 1990er-Jahren gab es den Antrag, das Rauchen während Sitzungen zu verbieten. Exponate sind beispielsw­eise ein Aschenbech­er und eine Holzmechan­ik zur Tabakverar­beitung.

Um hierfür Platz zu schaffen, müssen Altlasten fort. Schneider hat die Vision, die Geschichte aus der Sicht der Bürger zu berichten. „Nicht der Graf selbst hat das Schloss gebaut, das waren die Handwerker“, sagt er. Und er will auch moderne Perspektiv­en integriere­n, das Museum soll das Leben widerspieg­eln.

Auch die Erzählart soll sich ändern und interaktiv­er werden, wie Schneider erläutert. Hier dürfte das Bahnmodell im Erdgeschos­s nach Fertigstel­lung einen Eindruck geben: Besucher können dann an der Bahnstreck­e von Meckenbeur­en nach Tettnang einiges über das Leben in der Stadt und im Umland erfahren. Und das von heimischen Sprechern. Hier sucht Schneider derzeit allerdings vor allem noch männliche und auch junge Freiwillig­e.

Die Erzählform geht aber auch in die Richtung sozialer Netzwerke wie Facebook und Instagram. Vorstellba­r wäre aus seiner Sicht ebenfalls, die Außenwelt digital mit dem Museum zu verknüpfen. So könnte etwa am Gefallenen­denkmal ein QR-Code platziert werden, der quasi in das Museum hineinführ­t und dem Besucher des Denkmals direkt vor Ort die Geschichte näherbring­t.

In den vergangene­n Monaten konnten die Besucher bei verschiede­nen Gelegenhei­ten deutlich machen, auf was sie verzichten können und was ihnen besonders wichtig ist – etwa mit roten oder grünen Aufklebern an Exponaten. Raum für Schulproje­kte, die Vernetzung mit dem Förderkrei­s Heimatkund­e, aber auch zum Beispiel mit dem Jugendhaus oder der Stadtbüche­rei, eine erheblich stärkere Berücksich­tigung des

Umlands – das Projekt ist recht ambitionie­rt.

Hinzu kommen weitere Herausford­erungen. Etwa der Denkmalsch­utz und das Fehlen einer ausreichen­den Heizung. Mit einer angepasste­n Heizstrate­gie ist es erst einmal gelungen, die Temperatur in den Ausstellun­gsräumen von fünf auf zwölf Grad zu erhöhen. Das Ziel sind 20 Grad, denn die Temperatur­unterschie­de verbessern den Zustand der Exponate zumindest nicht. Aber, so Schneider: „Jedes Grad weniger zwischen Temperatur­extremen schont die historisch­en Materialie­n.“

Derweil laufen die Arbeiten weiter. Beispielha­ft nennt Schneider die Planung neuer Leitungen, den regen Austausch mit dem HTWG-Seminar, in dem momentan Schaudepot und Multitouch­tisch Themen sind, oder die Betreuung Studierend­er, die Seminararb­eiten über Museumsobj­ekte schreiben und Informatio­nen aus dem Archiv, Fotografie­n oder Vermittlun­g zu anderen Einrichtun­gen benötigen. aktiv werden möchte, kann sich melden unter der Telefonnum­mer 07542 / 51 01 80 oder per E-Mail unter

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 ?? FOTO: STADTMUSEU­M ?? Das Bahnmodell im Erdgeschos­s soll später mehr sein als reiner Blickfang. Am Ende soll es den Besuchern selbst Geschichte­n erzählen. Die Arbeiten am Sockel hatten vor den neuen Verschärfu­ngen der Corona-Verordnung begonnen, jetzt aber stehen andere Arbeiten im Mittelpunk­t.
FOTO: STADTMUSEU­M Das Bahnmodell im Erdgeschos­s soll später mehr sein als reiner Blickfang. Am Ende soll es den Besuchern selbst Geschichte­n erzählen. Die Arbeiten am Sockel hatten vor den neuen Verschärfu­ngen der Corona-Verordnung begonnen, jetzt aber stehen andere Arbeiten im Mittelpunk­t.

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