Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Stadtmuseum soll Geschichte „von unten“erzählen
Arbeit läuft, soweit Corona es zulässt – Noch Männer und Kinder als Sprecher für multimediales Projekt gesucht
TETTNANG - Auch wenn die Museen derzeit geschlossen sind, passiert im Hintergrund einiges. So beim Tettnanger Stadtmuseum: Dort krempelt Museumsleiter Florian Schneider zusammen mit der Universität sowie der HTWG Konstanz das Konzept um: Weg von einer teils wild zusammengewürfelten Sammlung hin zu einem Haus, das die Geschichte der Stadt von unten erzählt – auch mithilfe der Tettnanger.
Hinter den Museumstüren geht es voran. „Wir können einige Grundarbeiten machen“, sagt Florian Schneider. Wie es am Ende ausschauen soll, hatte er vor einigen Wochen zusammen mit Albert Kümmel-Schnur (Universität Konstanz) im Gemeinderat vorgestellt, das Konzept erntete einiges an Zuspruch.
Mit der Umbenennung in „Stadtmuseum“sei schon ein wichtiger Schritt getan, hatte Schneider damals erläutert: Denn anders als im Schlossmuseum solle der Schwerpunkt eben nicht auf dem Grafengeschlecht liegen, auch wenn es durchaus am Rande Thema sein könne. Doch derzeit sei der Anteil zu groß. „Franz Xaver haben wir gleich dreimal da, außerdem gibt es noch zwei unbekannte Montfort-Gräfinnen“, zählt Schneider im Gespräch mit der
„Schwäbischen Zeitung“beispielhaft auf. Dazu komme derzeit zudem ein Erfassungsstau, der sich in den letzten Jahren aufgebaut habe.
Derzeit läuft zusammen mit Studenten und Mitarbeitern die Dokumentation der Exponate. Und da kommt immer wieder Interessantes ans Tageslicht. Als Beispiel für eine Geschichte mit Tettnang-Bezug nennt Schneider etwa das Thema Tabak. In den 1950ern etwa rauchten die Gemeinderäte noch Zigarren auf Kosten des Steuerzahlers. Erst in den 1990er-Jahren gab es den Antrag, das Rauchen während Sitzungen zu verbieten. Exponate sind beispielsweise ein Aschenbecher und eine Holzmechanik zur Tabakverarbeitung.
Um hierfür Platz zu schaffen, müssen Altlasten fort. Schneider hat die Vision, die Geschichte aus der Sicht der Bürger zu berichten. „Nicht der Graf selbst hat das Schloss gebaut, das waren die Handwerker“, sagt er. Und er will auch moderne Perspektiven integrieren, das Museum soll das Leben widerspiegeln.
Auch die Erzählart soll sich ändern und interaktiver werden, wie Schneider erläutert. Hier dürfte das Bahnmodell im Erdgeschoss nach Fertigstellung einen Eindruck geben: Besucher können dann an der Bahnstrecke von Meckenbeuren nach Tettnang einiges über das Leben in der Stadt und im Umland erfahren. Und das von heimischen Sprechern. Hier sucht Schneider derzeit allerdings vor allem noch männliche und auch junge Freiwillige.
Die Erzählform geht aber auch in die Richtung sozialer Netzwerke wie Facebook und Instagram. Vorstellbar wäre aus seiner Sicht ebenfalls, die Außenwelt digital mit dem Museum zu verknüpfen. So könnte etwa am Gefallenendenkmal ein QR-Code platziert werden, der quasi in das Museum hineinführt und dem Besucher des Denkmals direkt vor Ort die Geschichte näherbringt.
In den vergangenen Monaten konnten die Besucher bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich machen, auf was sie verzichten können und was ihnen besonders wichtig ist – etwa mit roten oder grünen Aufklebern an Exponaten. Raum für Schulprojekte, die Vernetzung mit dem Förderkreis Heimatkunde, aber auch zum Beispiel mit dem Jugendhaus oder der Stadtbücherei, eine erheblich stärkere Berücksichtigung des
Umlands – das Projekt ist recht ambitioniert.
Hinzu kommen weitere Herausforderungen. Etwa der Denkmalschutz und das Fehlen einer ausreichenden Heizung. Mit einer angepassten Heizstrategie ist es erst einmal gelungen, die Temperatur in den Ausstellungsräumen von fünf auf zwölf Grad zu erhöhen. Das Ziel sind 20 Grad, denn die Temperaturunterschiede verbessern den Zustand der Exponate zumindest nicht. Aber, so Schneider: „Jedes Grad weniger zwischen Temperaturextremen schont die historischen Materialien.“
Derweil laufen die Arbeiten weiter. Beispielhaft nennt Schneider die Planung neuer Leitungen, den regen Austausch mit dem HTWG-Seminar, in dem momentan Schaudepot und Multitouchtisch Themen sind, oder die Betreuung Studierender, die Seminararbeiten über Museumsobjekte schreiben und Informationen aus dem Archiv, Fotografien oder Vermittlung zu anderen Einrichtungen benötigen. aktiv werden möchte, kann sich melden unter der Telefonnummer 07542 / 51 01 80 oder per E-Mail unter
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