Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fieses Geschäft: Tierkauf im Internet

Lindauer Tierärztin Barbara Zaltenbach-Hanßler rät ohnehin vom „lebenden Geschenk“an Weihnachte­n ab

- Von Susi Donner Dienstag, 1. Dezember

LINDAU - Die Lindauer Tierärztin Barbara Zaltenbach-Hanßler warnt vor dem Kauf von Tieren über das Internet. Der illegale Tierhandel – vor allem der Hundewelpe­n – nehme dramatisch­e Formen an und verursache enormes Leid bei den Tierkinder­n und ihren ausgebeute­ten Elterntier­en. Gerade in der CoronaKris­e habe sich der Wunsch nach einem Haustier offenbar verstärkt. Zudem stehe Weihnachte­n vor der Tür. Doch lebende Tiere unterm Weihnachts­baum hält die Tierärztin für keine gute Idee.

„Jedem muss bewusst sein: Jeder Tierkauf aus einer möglicherw­eise illegalen Quelle unterstütz­t diese Händler und befeuert das grausame Geschäft mit dem Tierleid“, mahnt die Tierärztin. In ihrer Praxis werden sie und ihre Mitarbeite­rinnen oft mit traurigen Tierschick­salen konfrontie­rt, die aus illegalem Tierhandel resultiere­n und sehr häufig mit dem qualvollen Tod des Tieres enden.

Dass dieser Handel zum Leidwesen der Tiere so stark boomt, liege einerseits an den immer raffiniert­eren, skrupellos­en Verkäufern. Anderersei­ts treffe auch die Käufer eine Mitschuld. Egal, ob der Käufer aus Geiz, Unwissenhe­it, Dummheit oder Ignoranz handle: Für das Tier mache das keinen Unterschie­d. Es leide.

Nach der Erfahrung der Lindauer Tierärztin beginne es oft so: Ein Hund soll ins Haus. Wer die gesuchte Rasse in die Suchmaschi­ne im Internet eingibt, landet schnell bei Kleinanzei­gen mit süßen Welpenbild­ern. Die Anzeigen sind freundlich gestaltet, täuschen liebevolle Hobbyzucht vor. Man stellt fest, dass es einen Welpen der Wunschrass­e schon für 300 Euro gibt. Warum also einem seriösen Züchter 1200 Euro zahlen?

Woher diese Welpen stammen, interessie­re die Käufer oft gar nicht, beobachtet Zaltenbach-Hanßler. „Aber wir wissen aus trauriger Erfahrung, dass diese Welpen sehr häufig in osteuropäi­schen Massenverm­ehrungsans­talten ‚produziert‘ werden, in denen Tierrechte und Tierschutz mit Füßen getreten werden“, so die Tierärztin. „Die geschunden­en Muttertier­e werden wie Gebärmasch­inen behandelt, fristen unter miserablen Zuständen ihr Dasein und müssen bis zur physischen Erschöpfun­g gebären“, klagt sie an.

Die jungen Hunde würden ihren Müttern viel zu früh entrissen, in Transporte­r gepfercht und unter schlimmen Bedingunge­n durch halb Europa gekarrt. Mit gefälschte­n Papieren kommen sie in Deutschlan­d an. Die Tierärztin warnt: Die jungen Hunde seien oft mit tödlich verlaufend­en Infektions­krankheite­n wie Staupe oder Parvoviros­e infiziert.

Blutiger Durchfall und starker Wurmbefall, Ektoparasi­ten, Wachstumsu­nd Verhaltens­störungen gehörten ebenfalls dazu. Scheinen die Welpen dem Verkäufer sehr schwach, putsche er sie mit Medikament­en für den Weiterverk­auf kurzfristi­g auf.

Für Käufer seien diese Tiere keineswegs Schnäppche­n. Viele sterben nach dieser Tortur. Wundere sich der potenziell­e Käufer, warum die Tiere so klein sind, preise der Verkäufer die Welpen als eine Miniversio­n der Rasse an, welche momentan besonders begehrt sei. Das dicke Wurmbäuchl­ein werde als guter Ernährungs­zustand des Welpen interpreti­ert. Dass die Welpen weder entwurmt, geimpft oder durch einen

Tierärztin ist klar: Besser sei es, erst in einem Tierheim nach einem geeigneten Hund zu schauen oder einen seriösen Züchter persönlich aufzusuche­n.

Den erkenne der angehende Hundebesit­zer daran, dass jener den neuen Besitzer kennenlern­en, persönlich­en Kontakt halten und oft auch noch nach mehreren Jahren wissen will, wie es seinem einstigen Welpen geht. „Ein guter Züchter gibt den Welpen frühestens nach der ersten Impfung ab, also zwischen der neunten bis zehnten Lebenswoch­e. Er hat die Welpen mehrmals entwurmt und hat einen Microchip einpflanze­n lassen“, betont die Lindauerin.

Barbara Zaltenbach-Hanßler appelliert auch an alle, die im Nachhinein erkannt haben, dass sie ihren Welpen bei einem dubiosen Händler gekauft haben. „Sie können dazu beitragen, dass diesen Menschen das Handwerk gelegt werden kann.“Sie erlebe es in der Praxis häufig, dass die Welpen jämmerlich krank sind, einen langen Weg bis zur Genesung haben, manchmal auch versterben oder lebenslang chronisch krank oder verhaltens­gestört sind. Doch sie könne die Hundebesit­zer nur selten überzeugen, gegen diese Tierhändle­r vorzugehen. „Die Käufer sind zwar empört, aber nicht dazu bereit, notfalls vor Behörden oder vor Gericht auszusagen.“

Deshalb fordert sie alle Betroffene­n auf: „Meine dringende Bitte als Tierarzt und Tierfreund: Lassen Sie sich nicht von diesen Händlern einschücht­ern oder erweichen, weil sie Ihnen den Kaufpreis rückerstat­tet haben. Sondern denken Sie an das Elend, das die Tiere erlebt haben. Und das Elend, das nach ihnen noch viele weitere erleben werden.“

Kritisch sieht die Tierärztin auch das Thema „lebende Tiere unterm Weihnachts­baum“. So niedlich Hundewelpe­n unter dem Christbaum sicherlich wären – ein Tier sei ein Lebewesen mit Gefühlen und Bedürfniss­en. Es sollte durch das Verschenke­n nicht zu einem Gebrauchsg­egenstand degradiert werden. Jeder müsse sich vor dem Kauf darüber im Klaren sein: „Es ist ein neues Familienmi­tglied, das wir uns da ins Haus holen. Ein Freund, der uns über viele Jahre begleiten wird.“

Eine Alternativ­e zum „lebenden Geschenk“könne Literatur zum Thema sein oder eine Spende ans Tierheim.

Zaltenbach-Hanßler schlägt zudem vor, in einem Tierheim nach einer Tierpatens­chaft zu fragen: So könnten sich Kinder regelmäßig um die Versorgung eines Tieres kümmern. „Dies ist eine gute Möglichkei­t, zu überprüfen, ob der Nachwuchs bereit ist, auch die eher unangenehm­en Aufgaben zu übernehmen, oder ob er mit einem Kuscheltie­r besser beraten wäre.“

Den Frühling habe ich verpasst, im Sommer hatte ich keine Zeit, der Herbst brachte mir die Angst vor dem Winter, im Winter träume ich vom Frühling. (Stefan Rogal, *1965, Autor, Herausgebe­r und Kolumnist)

Niemals, so lange die Erde besteht, / werden Aussaat und Ernte, / Kälte und Hitze, / Sommer und Winter, / Tag und Nacht aufhören. (Gen 8,22)

Eine Volkszählu­ng im Deutschen Reich ergibt einen Bevölkerun­gsstand von 56 345 014 Einwohnern.

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FOTO: SUSI DONNER Die Lindauer Tierärztin Barbara Zaltenbach-Hanßler mit ihren Hundemädch­en Aika und Nona. Sie bittet eindringli­ch darum, Tiere nicht anonym im Internet zu bestellen, und warnt davor, sie unter den Weihnachts­baum zu legen.

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