Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Schritt für Schritt

Wiedereins­tieg in den Beruf nach einer Depression ist eine große Herausford­erung

- Von Elena Zelle

BERLIN/KONSTANZ (dpa) - Nach einer Depression wieder in den Beruf zurückzuke­hren, ist ein schwierige­r Schritt. Viele Betroffene sind nervös und fragen sich, ob sie die Herausford­erungen meistern können und wollen. Wichtig zu wissen: Man muss nicht von null auf hundert einsteigen. Und man kann sich Hilfe von verschiede­nen Stellen holen. Eine wichtige Rolle spielt meist der direkte Vorgesetzt­e. Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Mit wem sollte man seinen Wiedereins­tieg besprechen?

Je nachdem bei wem man in Behandlung ist, sollte man zunächst mit seinem Haus- oder Facharzt und dann mit dem Betriebsar­zt sprechen, rät Anette Wahl-Wachendorf. Sie ist Ärztliche Leiterin des Arbeitsmed­izinischen Dienstes der Berufsgeno­ssenschaft der Bauwirtsch­aft (BG Bau) sowie Vizepräsid­entin des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte. „Der kann einschätze­n, ob man arbeitsfäh­ig ist.“Die Entscheidu­ng liegt aber beim Betroffene­n selbst. Ist diese gefallen und man möchte zurück in den Beruf, sollte man das mit seinem direkten Vorgesetzt­en besprechen.

Das Unternehme­n ist dazu verpflicht­et, den Betroffene­n beim Wiedereins­tieg zu unterstütz­en, sagt Psychologi­n Julia Kröll vom Institut für Betrieblic­he Gesundheit­sberatung (IFBG). Es sollten sogenannte Rückkehrge­spräche geführt werden: Darin kann zum Beispiel thematisie­rt werden, ob Arbeits- oder Pausenzeit­en angepasst oder zusätzlich­e Rückzugsor­te geschaffen werden müssen.

Wie genau läuft der Wiedereins­tieg ab?

Das kann man pauschal nicht beantworte­n. Grundsätzl­ich gilt: Wer länger als sechs Wochen krank war, dem muss ein betrieblic­hes Einglieder­ungsmanage­ment (BEM) angeboten werden, so Wahl-Wachendorf. Der Beschäftig­te muss das allerdings nicht annehmen, er kann auch einfach wieder starten, als wäre er nicht weg gewesen.

In der Praxis laufe es meist anders: Der Arbeitnehm­er steigt zunächst nur für ein paar Stunden täglich wieder in das Berufslebe­n ein. Die Dauer wird schrittwei­se gesteigert, bis man wieder bei seinem vertraglic­h vereinbart­en Pensum ist. „Wie lange eine Wiedereing­liederung dauert, hängt von der Staffelung ab und ist individuel­l unterschie­dlich.“

Wen muss man über seine Erkrankung informiere­n?

Kurz gesagt: niemanden. „Der Beschäftig­te muss weder seinem direkten Vorgesetzt­en, den Kollegen noch dem Arbeitgebe­r sagen, was er für eine Erkrankung hat“, erklärt WahlWachen­dorf. Zudem gilt auch für den behandelnd­en Facharzt, Therapeute­n und den Betriebsar­zt die Schweigepf­licht.

Aber: Wenn der Arzt bestimmte Psychophar­maka verschreib­t, die etwa das Bedienen von Maschinen oder die Fahrtüchti­gkeit beeinfluss­en, muss der Behandler den Arbeitnehm­er über die Beeinträch­tigungen informiere­n. Mitunter lohnt in einem solchen Fall die Abstimmung mit dem Betriebsar­zt: Ist jemand zum Beispiel Kranführer und wegen seiner Medikament­e nicht fahrtüchti­g, kann man mit dem Betriebsar­zt besprechen, welche anderen oder geänderten Aufgaben möglicherw­eise infrage kommen.

Wie sollte man sich selbst auf den ersten Tag vorbereite­n?

Man sollte seinen ersten Tag nach längerer krankheits­bedingter Abwesenhei­t gut planen, damit man sich sicher fühlt, empfiehlt Julia Kröll. Im besten Fall stehen zum Beispiel Termine und eine Struktur für den ersten Tag bereits fest. So kann man sich gedanklich darauf einstellen, was auf einen zukommt. „In jedem Fall empfiehlt es sich, bereits vorher eine gute Antwort auf die eine Frage parat zu haben, die sehr wahrschein­lich gestellt werden wird: „Wo warst du?“, rät Kröll.

Auch Anette Wahl-Wachendorf hält es für sinnvoll, sich Gedanken zu machen, wie man mit der Erkrankung umgehen möchte. „Man sollte sich überlegen, was man offenbaren möchte aus der letzten Zeit.“

Wie gehen Vorgesetzt­e und das Team am besten mit dem Wiedereins­tieg um?

Julia Kröll rät Vorgesetzt­en sich etwa im Rahmen von Schulungen oder Lektüre auf den Wiedereins­tieg von Mitarbeite­nden vorzuberei­ten. „Generell sollten psychische Erkrankung­en im Unternehme­n kein TabuThema sein.“

Laut Arbeitsmed­izin-Expertin Anette Wahl-Wachendorf sollte man als Chef ein Zeichen setzen, „dass der Mitarbeite­r auch nach langer Zeit willkommen ist“. Dem Betroffene­n gegenüber sei es wichtig, sich gesprächsb­ereit zu zeigen und gegebenenf­alls nachzufrag­en, ob Änderungen, zum Beispiel in der Pausengest­altung, notwendig sind.

Das Team sollte dem Betroffene­n gegenüber offen sein, Interesse zeigen, aber nicht bohren, rät WahlWachen­dorf. Psychologi­n Julia Kröll hebt hervor, wie wichtig Rücksichtn­ahme ist: „Übermäßige­r Leistungsd­ruck und unangebrac­hte Kritik tun niemandem gut, aber insbesonde­re Personen mit Depression­en können sie sehr zusetzen.“

Welche Warnsignal­e zeigen, dass es doch zu viel war?

Das könne von Person zu Person unterschie­dlich sein, so Julia Kröll. Eine Veränderun­g in der Stimmung, vermehrtes Grübeln sowie Schlafstör­ungen können Zeichen einer wiederkehr­enden Depression sein. Anette Wahl-Wachendorf erwähnt Symptome wie Hitzewallu­ngen, schwitzige Hände sowie über mehrere Tage andauernde Erschöpfun­g.

„Wichtig ist, dass sich jeder Betroffene selbst so gut kennt, dass ihm solche Warnzeiche­n rechtzeiti­g bewusst werden“, erklärt Kröll. Ein in der Therapie entwickelt­er Krisenplan kann helfen, sich in einem solchen Fall schnell Hilfe suchen zu können.

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Wer nach einer Depression wieder in den Job einsteigt, sollte sich überlegen, was er gegenüber dem Team kommunizie­ren möchte.
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FOTO: VDBW Anette Wahl-Wachendorf vom Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte.

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