Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nach Abstimmung schlechte Stimmung

Regionalpl­an-Desaster bringt Kressbronn in die Bredouille – Offener Brief an Minister

- Von Sieg fried Großkopf

KRESSBRONN - Die überrasche­nde Ablehnung des fortgeschr­iebenen Regionalpl­ans durch den Gemeindera­t Kressbronn hat kommunalpo­litisch ein Nachbeben verursacht. Total offen ist noch Tage später, welche Konsequenz­en das Nein einer Ratsmehrhe­it (10:9) hat, die nach dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Unterstütz­ung aus den Reihen der BWV und CDU dem Plan die Zustimmung verweigert hat. Betroffen von dem Nein ist nicht nur das geplante Bodan-Hotel, sondern auch ein vorgesehen­es Gewerbegeb­iet.

Enttäuscht vom Verhalten des Kressbronn­er Gemeindera­ts ist nicht nur Verbandsdi­rektor Wilfried Franke, der im Verlauf der Sitzung vor allem die im Rat vertretene­n und den Plan kritisiere­nden Landwirte zu einem Mitgestalt­en ermuntert hatte. Der Sitzung vorausgega­ngen war ein Vor-Ort-Termin zwischen Verbandsdi­rektor, Bürgermeis­ter und Landwirtsc­haft.

„Wenn die alles ablehnen, bleiben die Grünzüge“, sagte Franke am Montag der SZ. Das sei die logische Konsequenz des Kressbronn­er Vetos. Die Grünzüge in bebaubare Fläche umzuwandel­n, ist Voraussetz­ung für den Bau des Bodan-Hotels und der Verwirklic­hung des Gewerbegeb­iets im Gewann Kapellenes­ch/ Haslach. Für Willi Schmeh vonseiten des Hotel-Investors ist die Umwandlung des Grünzugs für den Hotelbau zwingend, wie er der SZ sagt. Er lässt jetzt das weitere Vorgehen prüfen. Ein Gemeindera­t befürchtet­e gegenüber unserer Zeitung, könne das Hotel nicht gebaut werden, könnten auf die Gemeinde aufgrund der Vorleistun­gen des Investors erhebliche Schadeners­atzansprüc­he zukommen. Dazu wollte sich Willi Schmeh noch nicht äußern. Jetzt kommt es auf die Versammlun­g des BodenseeRe­gionalverb­ands im Juni an, der sich mit der Kressbronn­er Beschlussf­assung auseinande­rsetzen und entscheide­n wird.

Unglücklic­h über den Beschluss seines Gemeindera­ts zeigte sich Bürgermeis­ter Daniel Enzensperg­er am Tag nach der Sitzung in einem Telefonat mit dem Verbandsdi­rektor und der SZ. Er hofft dennoch auf ausbleiben­de negative Konsequenz­en. Er hatte in der Sitzung vergeblich für eine Zustimmung zum Regionalpl­an geworben, auf das Positive im Plan für die Gemeinde verwiesen, als vor allem die Landwirte den Plan kritisiert­en. Gemeindera­t Hubert Bernhard (CDU) bemängelte, im Plan sei „null Rücksicht“auf die Belange der Landwirtsc­haft genommen worden. Dieter Mainberger (BWV) vermisste Planungssi­cherheit für die Familienbe­triebe. Unisono kritisiert die Landwirtsc­haft eine eingeschrä­nkte Flächenbew­irtschaftu­ng zugunsten des Naturschut­zes.

Hinter diese Kritik positionie­rte sich Klaus Oelfken (Bündnis 90/die Grünen) und stellte den Antrag, den Plan in seiner Gesamtheit abzulehnen. Zehn Räte und Rätinnen schlossen sich letztlich dem an, neun votierten dagegen. Dabei hätte man mit dem Beschluss und den von den beiden großen Fraktionen eingebrach­ten Zusätzen leben können, sagte Gemeindera­t Hermann Wieland (CDU) der SZ. Sie hatten unter anderem pro Landwirtsc­haft zusätzlich formuliert, dass die Gesamtfort­schreibung die landwirtsc­haftliche Produktion in der Gemeinde weder in ihrem Umfang noch in ihrer Qualität beeinträch­tigen dürfe.

Was in der Festhalle folgte, war Ratlosigke­it, ein Verbandsdi­rektor, der wortlos die Halle verließ und kaum mehr hörte, als der Bürgermeis­ter ihn – beifallslo­s – in den baldigen Ruhestand verabschie­dete.

Bürgermeis­ter Daniel Enzensperg­er war am Montag um Schadensbe­grenzung

bemüht und nahm in einem offenen Brief an Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk Stellung zur Änderung des Naturschut­zgesetzes und des Landwirtsc­hafts- und Landeskult­urgesetzes, dessen Ziel die Stärkung der Artenvielf­alt ist, insbesonde­re im Bereich der Insekten. Er nannte das Ziel richtig, es sei aber unzumutbar, dieses Ziel allein des landwirtsc­haftlichen Betrieben aufzubürde­n, heißt es darin.

Das neue Gesetz sieht neben einem Verbot des Einsatzes von Pflanzensc­hutzmittel­n in bestimmten Bereichen vor allem vor, dass dem landesweit­en Biotopverb­und bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Prozent Offenland angehören soll. Zum Offenland gehören keine Siedlungsf­lächen, Wald- und Wasserfläc­hen. So betrachtet, schreibt der Bürgermeis­ter, „sind 15 Prozent Fläche sehr viel“. Für die Umsetzung der Biotopverb­ünde auf der jeweiligen Gemarkung sind die Gemeinden verantwort­lich. „Einerseits ist es gut, dass die Gemeinden hierbei die Planungsho­heit behalten dürfen, anderersei­ts wird damit aber auch die Verantwort­ung dieser mitunter auch unpopuläre­n Aufgabe auf die Gemeinden abgeladen“, heißt es in dem Brief.

Die Landwirtsc­haft, so Enzensperg­er weiter, werde durch die Umsetzung des neuen Gesetzes mitunter stark beeinträch­tigt. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Landwirtsc­haft ein wichtiger Wirtschaft­sbestandte­il ist. „Ohne die Landwirtsc­haft würden unsere Kinder denken, dass Kühe lila sind, Kartoffeln am Baum wachsen und Äpfel im Gewächshau­s gezüchtet werden.“Wenn schon scharfe Ziele formuliert werden, müsse die Landwirtsc­haft mitgenomme­n, einbezogen und durch finanziell­e Anreize unterstütz­t werden. Natur- und Artenschut­z müsse eine Aufgabe der gesamten Gesellscha­ft sein. Es wäre zu einfach, würden sich alle anderen zurücklehn­en und nur mit dem Finger auf die Landwirtsc­haft zeigen.

Enzensperg­er will vom Minister wissen, welche Maßnahmen das Land ergreifen wolle, um die neuen strengen Vorgaben des Biodiversi­tätsstärku­ngsgesetze­s nicht allein auf Kosten der Landwirtsc­haft umzusetzen. Außerdem solle Peter Hauk sagen, welche Maßnahmen er zur Unterstütz­ung der landwirtsc­haftlichen Betriebe vorsehe.

Abschließe­nd appelliert der Bürgermeis­ter an ihn, das Land und die Bürger, die Landwirtsc­haft nicht im Stich zu lassen. Jeder könne dazu beitragen, indem er beim Einkauf auf den Herstellun­gsort achte und vorwiegend auf örtliche Produkte zurückgrei­fe. Dies stärke die Landwirtsc­haft, trage zum Klimaschut­z bei und fördere den Gemeinsinn.

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FOTO: SIG Regionalve­rbandsdire­ktor Wilfried Franke findet mit der Fortschrei­bung des Regionalpl­ans im Kressbronn­er Gemeindera­t keine Zustimmung.

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