Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ein bitterer Abend für die Bundes-CDU
Konservative erklären Niederlage mit Kretschmann-Faktor – „Keine Testwahlen“
BERLIN - Es lag nicht nur an den Corona-Bedingungen, die den Wahlabend im Konrad-Adenauer-Haus für die CDU zu einer traurigen Angelegenheit machten. Dass die Partei bei den Landtagswahlen in BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz Wählerstimmen verlieren würde, war erwartet worden. Die Hochrechnungen machten dann den letzten Funken Hoffnung zunichte: Die CDU hatte in beiden Bundesländern das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte eingefahren.
Das kann auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kaum schönreden. „Das ist kein guter Abend für die CDU“, stellt er fest. Allerdings könne von den Ergebnissen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht auf Wahlergebnisse im Bund geschlossen werden. „Das waren die persönlichen Erfolge von Winfried Kretschmann und Malu Dreyer“, so Ziemiak. Es habe keine Wechselstimmung gegeben. Doch auch das räumt der CDU-Generalsekretär ein: Die Maskenaffäre habe den Wahlkampf belastet. Jetzt gehe es darum, mit einer „Nulltoleranzpolitik“in seiner Partei aufzuräumen. Als dritten Faktor, der sich negativ auf die Ergebnisse der CDU ausgewirkt habe, nennt Ziemiak den Unmut und das Unverständnis über das Corona-Krisenmanagement. Deshalb müssten sich alle
Verantwortlichen hinterfragen, „wo wir besser, pragmatischer und schneller werden können“.
Jahrzehntelang konnte die Bundes-CDU auf den starken Landesverband in Baden-Württemberg bauen. Wahlergebnisse von 40 Prozent und deutlich mehr waren bis zur Regierungsübernahme durch die Grünen vor zehn Jahren eher die Regel als die Ausnahme. Davon ist am Sonntag nicht viel übriggeblieben. Doch lag es wirklich nur am starken Ministerpräsidenten Kretschmann, gegen den seine Herausforderin Susanne Eisenmann bei einer direkten Wahl noch schlechter abgeschnitten hätte als jetzt die Partei? „Andere Faktoren, wie etwa die Verfehlungen von Abgeordneten im Zusammenhang mit Maskengeschäften haben natürlich auch geschadet“, sagt Unionsfraktionsvize Thorsten Frei. „Allerdings dürften die Auswirkungen aufgrund des hohen Briefwähleranteils eher begrenzt sein.“Immerhin die Hälfte der Wähler im Südwesten hat ihre Stimme schon vor dem Wahlsonntag per Post abgegeben.
Es bleibt also der KretschmannFaktor, der immer und immer wieder betont wird. „Die Baden-Württemberger wollen, dass Winfried Kretschmann Ministerpräsident bleibt. Das stand bei dieser Wahl im Mittelpunkt“, betont auch Unionsfraktionsvize Andreas Jung, der den Wahlkreis Konstanz im Bundestag vertritt. Und auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble spricht von den „Persönlichkeiten der Ministerpräsidenten“, um die es bei dieser Wahl gegangen sei. Im Hinblick auf die ungeklärte Kanzlerkandidatenfrage in der Union hat diese von allen bemühte Erklärung der Wahlniederlage im Südwesten natürlich auch eine andere Funktion: Sie nimmt den noch relativ neuen Parteivorsitzenden Armin Laschet aus der Verantwortung für die schlechten Wahlergebnisse. Oder wie es Ziemiak formuliert: „Die Landtagswahlen sind keine Testwahlen für den Bund und spielen im Hinblick auf die Kanzlerkandidatur keine Rolle.“
Doch welchen Weg wird die CDU nach diesem Tag einschlagen? Wird sie sich darauf verlassen, dass sie auf ganz andere Ergebnisse kommt, wenn der Wähler nicht Alternativen wie Kretschmann und Dreyer hat? Norbert Röttgen, Mitglied im CDUPräsidium, rät seiner Partei dann doch zu mehr Selbstkritik. Es sei eben nicht nur um Personen gegangen, sagt er am Abend in der ARD. Und wenn die CDU nicht stark bleibe, dann wäre eine Regierung im Bund ohne die Union möglich. „Das müssen alle wissen, vor allen Dingen die CDU“, so Röttgen.
Wie auch immer man es dreht: Den Auftakt in das Superwahljahr 2021 hatte sich die CDU anders vorgestellt. Für die CDU-Bundestagsabgeordneten aus dem Südwesten, die sich im September zur Wahl stellen müssen, geht es deshalb nun auch ein Stück weit um Schadensbegrenzung. Dazu gehört in erster Linie, in BadenWürttemberg weiterhin mitregieren zu können – und dort kein Vorbild zu liefern für eine grün-rot-gelbe Ampelkoalition im Bund. Grün-Schwarz habe „eindeutig gut und erfolgreich für unser Land gearbeitet“, sagt Frei mit Blick auf die künftige Regierung in Baden-Württemberg. „Sicherlich sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen, aber ohne den Markenkern der CDU aufzugeben“, sagt auch Thomas Bareiß, Bezirksvorsitzender der CDU Württemberg-Hohenzollern. Und dann geht es darum, die Negativschlagzeilen im Zuge von Maskenaffären und AserbaidschanVerstrickungen hinter sich zu lassen. „Gestärkt aus der Krise kommen“, formuliert es Frei.
Die Partei richtet nach den historischen Wahlniederlagen im Südwesten jetzt ihren Blick nach vorne. Der nächste Schritt dahin ist die ungeklärte Kanzlerkandidatur in der Union. Wird es Laschet werden – oder Markus Söder, der in den Umfragen deutlich vorne liegt. Für die Union komme es auf die Geschlossenheit von CDU und CSU an und auf ein klares inhaltliches Profil, sagt Jung. „Als CDU Baden-Württemberg werden wir gemeinsam mit unserem neuen Vorsitzenden Armin Laschet dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“