Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kritik der Betroffenen
Nach der Vorstellung eines Gutachtens zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln werden Rufe nach weiteren Konsequenzen laut. Die „so lange überfällige unabhängige Aufarbeitung“stehe in Köln und andernorts immer noch am Anfang, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag in Berlin.
Als „Freispruch“für Kardinal Rainer Maria Woelki wertete der Sprecher der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, das Missbrauchsgutachten. Das Gutachten kläre weder moralische noch kirchenrechtliche Fragen. Katsch kritisierte, dass die Perspektive der Betroffenen für die Erstellung der Studie keine Rolle gespielt habe. Das Gutachten sei kein Ersatz für Aufarbeitung. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, JohannesWilhelm Rörig, nannte das in dem Gutachten gezeichnete Ausmaß des Missbrauchs und der Pflichtverletzungen kirchlicher Verantwortungsträger „erschreckend“. Zugleich lobte er die Untersuchung als einen „wichtigen von vielen weiteren Mosaiksteinen der unabhängigen Aufarbeitung“. Nun müsse zügig eine Aufarbeitungskommission unter Beteiligung von Betroffenen und weiteren Experten gebildet werden.
Nach Ansicht des vatikanischen Experten für Missbrauchsprävention, Hans Zollner, sind die bisherigen Maßnahmen im Erzbistum Köln ein „viel zu kleiner Schritt“. Aus Sicht der Opfer genüge die von vornherein „klar gewählte rein juristische Sichtweise“nicht. „Die Betroffenen brauchen mehr“, sagte Zollner, Mitglied der päpstlichen Kinderschutzkommission. (KNA)