Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Notwendiger Kompromiss oder unsinniges Hü und Hott?
FRIEDRICHSHAFEN - Laden zu kurz vor Ostern, Laden auf nach den Feiertagen, ab Dienstag wieder Laden zu: Die Corona-Notbremse ab einer Sieben-TagesInzidenz von 100 sorgt bei Händlern für Frust und bei Kunden für Verwirrung. Ist diese Regelung trotzdem sinnvoll? Ralf Schäfer und Martin Hennings haben dazu unterschiedliche Ansichten.
Keine Frage: Das Hin und Her in Sachen Notbremse nervt und verunsichert. Bloß: Was ist die Alternative? Ganz zusperren, wochenlang, unabhängig davon, wie sich die Ansteckungszahlen entwickeln? Das kann dann nur bundesweit geschehen – und ich bin mir nicht mehr sicher, ob die Menschen bereit sind, diesen Weg klaglos mitzugehen.
Wir waren uns doch weitgehend einig, coronabedingte Einschränkungen vom Infektionsgeschehen vor Ort abhängig zu machen. Zwischen dem Landkreis Hof und der Nordseeküste herrscht nun mal diesbezüglich ein ziemlich großer Unterschied, was die Zahl der Neuansteckungen innerhalb einer
Woche betrifft. Klar muss man immer fragen, wo man dann die Grenze zieht. Landesebene? Bezirk? Kreis? Kommune? Für den Landkreis als Berechnungsgrundlage gibt es ein paar ganz gute Argumente: Verwaltungspraxis, gemeinsame Wege, Arbeitsstätten, die Kreisstadt als Zentrum.
Alles, was der Staat an der Stelle regelt, kann nur ein Kompromiss sein. Klar ist aber: Wer Lockerungen vom Ansteckungsgeschehen vor Ort abhängig machen will, der wird ohne ein bisschen Hin und Her nicht auskommen.
Martin Hennings
Früher hieß das „Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln“. Das beschreibt die Situation der Einzelhändler in der Region ganz gut. Inzidenzzahlen geben vor, ob die Geschäfte öffnen oder nicht. Ein paar Tage später sieht alles wieder anders aus. Doch ist der Handel wirklich ein Ansteckungsort?
Die bestehende Regelung verunsichert jedenfalls auch die Kunden, die dann doch lieber im Internet bestellen, statt immer wieder nachzuschauen, ob der Fachhandel grade geöffnet hat. Und warum darf ein großer Supermarkt öffnen, gut sortierter Fachhandel jedoch nicht? Wer entscheidet, was der tägliche Gebrauch ist? Ich würde da Bücher dazu zählen.
Wenn eine Notbremse wirklich nötig ist, dann sollte die gleich für zwei bis drei Wochen kommen. Daran aber müssten sich auch alle halten. Müßig zu fragen, ob die Lage heute eine andere wäre, hätten Anfang des Jahres tatsächlich alle die Regeln eingehalten. Lockdown ja, aber nicht auf diese Art. Mit heute Hü und morgen Hott wird dafür gesorgt, dass der Einzelhandel noch mehr geschwächt wird, ohne tatsächliche Erfolge bei der Bekämpfung des Virus vorweisen zu können.
Ralf Schäfer
„Solche Kompromisse sind nötig.“
„Das verunsichert Kunden.“