Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Südwesten hält an Impfreihenfolge fest
Debatte um Lockerungen für Geimpfte – Justizministerin Lambrecht macht Druck
BERLIN/MÜNCHEN/RAVENSBURG Am Impfen scheiden sich die Geister. Während Baden-Württemberg an der Impfreihenfolge festhält, wird bundesweit über eine Aufhebung der Priorisierung nach Alters- und Berufsgruppen sowie Vorerkrankungen diskutiert. Zudem werden in Politik und Gesellschaft die Forderungen nach Rückgabe der Freiheitsrechte an gegen Corona Geimpfte lauter. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) kündigte am Mittwoch
an, sie wolle für diesen Personenkreis „unverzüglich schnellstmöglich“Lockerungen bei den Beschränkungen durchsetzen. Dies solle möglichst vor dem bisher von der Regierung geplanten Termin am 28. Mai passieren, sagte sie. „Wir müssen schnell ein Signal an alle senden, dass wir keine Möglichkeit mehr haben, die Grundrechte einzuschränken.“Stand Dienstag waren 7,3 Prozent aller Bürger vollständig gegen das Coronavirus geimpft.
Einigen Bundesländern und Teilen der Opposition geht dies nicht schnell genug. In Bayern werden komplett Geimpfte seit Mittwoch mit Menschen gleichgestellt, die negativ auf Corona getestet wurden. Auch Rheinland-Pfalz und Hessen haben ihre Verordnungen entsprechend angepasst. FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte der „Bild“-Zeitung: „Es kann doch nicht wahr sein, dass die Bundesregierung beim Einschränken der Grundrechte den Turbo einlegt, aber bei der Rückgabe in den Trödelmodus verfällt.“
Uneins sind die Bundesländer bei der Impfpriorisierung. Während Bayern bereits am Dienstag angekündigt hat, die Reihenfolge Mitte
Mai aufheben zu wollen, bleibt der Südwesten bei der bisherigen Vorgehensweise, wie Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) am Mittwoch der „Schwäbischen Zeitung“sagte. Erst wenn ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehe, werde die Priorisierung nicht mehr benötigt.
Ulrich Weigeldt, Chef des Hausärzteverbands, forderte am Mittwoch zwar nicht die Aufhebung der Reihenfolge, aber mehr Ermessensspielraum für Ärzte. Sie müssten „die Möglichkeit haben, damit vernünftig und pragmatisch umzugehen und nicht stur nach Regel“.