Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Geißbockbahn fährt bald elektrisch
BOB erwirbt nach zweijährigen Verhandlungen ehemalige S-Bahn-Züge aus dem Saarland
FRIEDRICHSHAFEN - Mit acht ehemaligen S-Bahn-Zügen aus dem Saarland stellt die Bodensee-Oberschwaben-Bahn GmbH & Co. KG zum Fahrplanwechsel im Dezember 2021 die „Geißbockbahn“auf elektrischen Betrieb um. Diese Fahrzeuge sollen dann auch den Betrieb in der Übergangszeit bis zur Neuausschreibung des Schienennahverkehrs durch das Land sichern. „Das war ein Kraftakt“, resümiert BOB-Geschäftsführer Norbert Schültke nach fast zweijährigen Verhandlungen.
„Wir haben parallel verhandelt: Mit dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg und der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH über die Finanzierung, mit dem Saarland über den Ankauf der Fahrzeuge und mit DB Regio/ RAB über die Instandhaltungs- und Personalleistungen. Dass jetzt alles in trockenen Tüchern ist, sichert die Existenz der BOB für die nächsten Jahre. Und die Lösung bietet unseren Fahrgästen deutlich mehr Raum“, berichtet Schültke. Dass die Elektrifizierungsarbeiten auf der Südbahn im Lauf des Jahres 2021 abgeschlossen und für die Umstellung des Betriebs entsprechende Fahrzeuge
benötigt werden, ist zwar nicht erst seit ein paar Tagen bekannt. Doch die Problematik, die dahintersteckt, ist ziemlich komplex, weil sich der Schienenverkehr insgesamt in Baden-Württemberg in einer mehrjährigen Übergangsphase befindet. Wie lange die noch andauert, hängt davon ab, bis wann die großen Bahnbaustellen im ganzen Land abgeschlossen sind. Die größte und bekannteste ist Stuttgart 21 und bislang alles andere als planmäßig verlaufen. Erst wenn das Ende der landesweiten Ausbaumaßnahmen absehbar ist, wird das Land einen neuen, langfristigen Fahrplan erstellen – und dann auch den Schienennahverkehr in der Region Bodensee-Oberschwaben neu ausschreiben.
Dass die Bodensee-Oberschwaben-Bahn GmbH & Co. KG dann erneut zum Zug kommt, ist keinesfalls sicher, zumindest kein Automatismus. Und so spielten bei der Beschaffung passender Triebfahrzeuge laut Schültke auch betriebswirtschaftliche Überlegungen eine Rolle – zumal die Streckensperrungen durch die Elektrifizierungsarbeiten und seit rund einem Jahr auch die Corona-Pandemie das Nutzungsverhalten vieler Bahnkunden verändert und die BOB-Passagierzahlen entsprechend nach unten gedrückt haben. Mit öffentlichen Geldern neue Fahrzeuge zu bestellen, ohne zu wissen, ob sie länger als nur ein paar Jahre im Einsatz sein werden und wie viele überhaupt benötigt werden, das war jedenfalls keine Option. Zumal auch beihilferechtliche Vorgaben der EU einzuhalten sind.
Die acht gebrauchten Züge aus dem Saarland und deren Überarbeitung – inklusive neuer Motoren – lässt sich die BOB nach eigenen Angaben eine mittlere siebenstellige Summe kosten. Finanzielle Unterstützung kommt vom Land BadenWürttemberg. „Die BOB macht seit 28 Jahren einen hervorragenden Job. Sie ist ein zuverlässiges Rückgrat des Bahnverkehrs in der Region Bodensee-Oberschwaben. Ich freue mich, dass diese Erfolgsgeschichte auch im elektrischen Zeitalter weitergeht“, stellt Verkehrsminister Winfried Hermann in einer Pressemitteilung fest. Das Land habe seinen Part dazu beigetragen und die Finanzierung des Übergangs mit gesichert. Keine Option war, die Übergangsjahre noch mit Dieselloks zu bestreiten. „Wir wollen so schnell wie möglich den gesamten Zugbetrieb von Diesel- auf Elektrofahrzeuge umstellen. Nachdem wir die Elektrifizierung
der Südbahn vorangetrieben und mit erheblichen Finanzmitteln des Landes in Höhe von 112,5 Millionen Euro unterstützt haben, wäre ein weiterer Dieselbetrieb ziemlich unpassend“, so der Verkehrsminister.
Gewartet und repariert werden die neuen Triebfahrzeuge der BOB künftig in der Werkstatt der DB Regio in Ulm. „Das ist eine hervorragende Lösung, mit der wir die bisherige Partnerschaft sozusagen auf ein neues Gleis stellen“, freuen sich Norbert Schültke und David Weltzien, der Vorsitzende der Regionalleitung DB Regio Baden-Württemberg. Die acht zweiteiligen Züge werden ausschließlich mit Ökostrom fahren, sind voll klimatisiert und bieten jeweils 100 Sitzplätze – 30 mehr als die bisherigen BOB-Züge. Erfreut über den Ausgang der Verhandlungen zeigt sich in der Pressemitteilung auch Lothar Wölfle, Landrat des Bodenseekreises und Vorsitzender des BOB-Beirats: „Die BOB gehört zu Bodensee-Oberschwaben und zur Südbahn. Wir sind deshalb sehr froh, dass wir einen guten Weg gefunden haben, die nächsten Jahre zu sichern. Mir fällt ein Stein vom Herzen und vielen Fahrgästen sicherlich auch.“