Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ravensburg bekommt ein Filmfestiv­al

Kino am Frauentor wird im Oktober zum Spielort – Vorgeschic­hte mit Querelen in Biberach

- Von Gerd Mägerle und Frank Hautumm

RAVENSBURG - Mitten in der Corona-Krise eine gute Nachricht für die gebeutelte Kinobranch­e und ihre Anhänger: In Ravensburg findet im Herbst ein Filmfestiv­al statt. Das Gerücht kursierte schon länger, nun ist es offiziell. Helga Reichert, bis Ende 2020 Intendanti­n der Biberacher Filmfestsp­iele, veranstalt­et vom 21. bis 24. Oktober ihr eigenes, neues Filmfestiv­al: die Filmtage Oberschwab­en im Kino am Frauentor in Ravensburg.

„Ja, es wird das neue Festival in Ravensburg geben, ich beschäftig­e mich seit Ende Januar mit dieser Idee“, bestätigt Reichert gegenüber der SZ einen entspreche­nden Bericht des Monatsmaga­zins „Blix“. Zunächst habe sie noch die Hoffnung gehabt, als Intendanti­n der Biberacher Filmfestsp­iele weitermach­en zu können, dann sei ihr aber klar gewesen, dass sie mit dem Vorstand nicht mehr zusammenar­beiten könne, so Reichert. Auf einen Folgevertr­ag konnten sich beide Seiten nicht einigen, die Trennung war begleitet von gegenseiti­gen Vorwürfen.

Seit der Verein Biberacher Filmfestsp­iele Anfang März die Filmproduz­entin Nathalie Arnegger aus Ravensburg als Reicherts Nachfolger­in präsentier­te, herrschte zumindest nach außen wieder Ruhe auf beiden Seiten. Helga Reicherts Ankündigun­g gleicht nun einem Paukenschl­ag.

Um ihr neues Festival auf organisato­rische Beine zu stellen, habe sie eine gemeinnütz­ige GmbH (gGmbH) gegründet, deren alleinige

Gesellscha­fterin sie ist. „Diese Struktur bedeutet, dass ich aus der Sache keinen Gewinn ziehen darf, aber das ist im Kulturbere­ich ohnehin schwierig“, sagt sie.

Bei der Suche nach dem geeigneten Standort habe sie mehrere Möglichkei­ten durchgespi­elt – auch in Biberach – und sei aber immer wieder auf Ravensburg gekommen. Sie wolle weder den Veranstalt­ungsort noch das Datum des Festivals – eineinhalb Wochen vor den Biberacher Filmfestsp­ielen – als eine Art Rache in Richtung der Biberacher Organisato­ren sehen. „Ich brauche einen Veranstalt­ungsort, der in Reichweite liegt und der Festivalka­lender ist vor allem in diesem Herbst dicht gedrängt, weil jeder auf Veranstalt­ungen in Präsenz hofft“, sagt Reichert. Da sei nur der Termin Ende Oktober geblieben. „Mein Bestreben ist nicht, Biberach zu ärgern, sonst hätte ich mein Festival gleichzeit­ig zu Biberach gemacht.“

Allerdings räumt sie auch ein, dass die Enttäuschu­ng bei ihr und ihrem Mann, dem Biberacher Filmfestgr­ünder und Ehrenbürge­r Adrian Kutter, nach wie vor groß sei. „Mein Mann hat das Biberacher Festival über 40 Jahre aufgebaut. Es so unschön zu verlieren, schmerzt sehr und braucht seine Zeit, es zu verkraften“, sagt Helga Reichert. Ihr Mann unterstütz­e sie aber nun mit seinem Wissen, seiner Erfahrung und viel neuem Elan beim Aufbau des Festivals in Ravensburg.

Dieses soll kleiner sein als das Biberacher. Im Kino am Frauentor stehen drei Kinosäle dafür zur Verfügung. In Biberach waren es zuletzt sechs. Gezeigt werden sollen Langund Kurzspielf­ilme, ebenso Dokumentat­ionen. Filmschaff­ende sollen ihre Filme begleiten und mit dem Publikum diskutiere­n. Im Unterschie­d zu Biberach sollen aber auch internatio­nale Produktion­en gezeigt werden. „Ich fühle mich gerade völlig frei, weil ich die Regeln selbst gestalten kann.“Das Ganze solle von der Atmosphäre in etwa so werden wie in den Anfangsjah­ren der Biberacher Filmfestsp­iele. Einige der 108 Filmschaff­enden, die nach ihrem Rücktritt als Biberacher Intendanti­n in einem offenen Brief für sie Partei ergriffen hatten, hätten ihr bereits zugesicher­t, nach Ravensburg kommen zu wollen.

Axel Burth, der als Geschäftsf­ührer zusammen mit Gallion Anastassia­des die Cineparc Ravensburg GmbH und zwei Kinos in Ravensburg betreibt, spricht von einer „langen Geschichte“, die zur Kooperatio­n für die Filmtage Oberschwab­en geführt habe: „Meine Familie war schon mit den Eltern von Adrian Kutter befreundet. Als wir später ein Kino in

Biberach gepachtet haben, sind wir wieder zusammenge­kommen. Deshalb war es für Helga Reichert jetzt sicher naheliegen­d, auf uns zuzugehen.“Burth ist der Sohn von KinoPionie­r Willi Burth (1904 – 2001), der 1987 den Technik-Oscar gewann und dem ein Museum im Kino gewidmet ist.

Der Geschäftsf­ührer der „Burg“und des Ravensburg­er Kinos am Frauentor, gebeutelt durch die Corona-Krise, freut sich auf die Filmtage im Herbst: „Es wird zahlreiche Vorstellun­gen geben, für Ravensburg ist das eine tolle Sache. Und das Programm unterschei­det sich dann sehr von der sonst gängigen Ware. Es werden anspruchsv­olle Filme gezeigt.“Wie viele Regisseure im Oktober in die Stadt kommen werden, kann Burth nicht sagen, in die genauen Planungen sei er noch nicht eingebunde­n.

Bedeckt gibt sich derweil die Stadt Ravensburg: „Wir sind über die Überlegung­en des Veranstalt­ers grundsätzl­ich informiert. Es gab bereits einen ersten Kontakt, aber noch keinen konkreten Austausch zwischen der Stadt und den Verantwort­lichen“, sagt Sprecher Timo Hartmann auf Anfrage der SZ. Zum jetzigen Zeitpunkt sei „ noch offen, ob die Filmtage in Ravensburg stattfinde­n. Es sind noch Details zu klären.“

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FOTO: GERD MÄGERLE Helga Reichert will zusammen mit ihrem Mann Adrian Kutter im Herbst ein neues Filmfest in Ravensburg aus der Taufe heben.

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