Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ein großer Einsatz“

Militärhis­toriker fordert eine Zeremonie für die Truppe

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BERLIN - Das Ende des Afghanista­nEinsatzes ist für Deutschlan­d eine Zäsur – und sollte auch so behandelt werden, erklärt der Militärhis­toriker Sönke Neitzel im Gespräch mit Ellen Hasenkamp.

Die Bundeswehr hat in Afghanista­n das Töten und das Sterben gelernt. Auch das Verlieren?

Die Bundeswehr ist dort erwachsen geworden. Konflikte dieser Art funktionie­ren nicht über Sieg oder Niederlage, es ist diffuser. Grund für den Einsatz war es, Al Kaida aus dem Land zu drängen, und das ist gelungen. Eine Demokratie nach westlichem Vorbild konnte man allerdings nicht formen.

Ändert das Einsatzend­e etwas am Bild der Bundeswehr in der Gesellscha­ft?

Das Interesse an der Bundeswehr ist ohnehin gering. Daran hat Afghanista­n zuletzt nichts mehr geändert, auch weil – zum Glück – keine deutschen Soldaten mehr zu Schaden kamen. Das Bundeswehr-Bild wird stattdesse­n eher geprägt von den Berichten über ihre schlechte Ausrüstung.

Wie sollte die Regierung den Abzug aus Afghanista­n markieren?

Es sollte der Anlass sein, sich über die Afghanista­n-Politik ehrlich zu machen. Denkbar wäre eine große Studie, die nicht nur die Bundeswehr, sondern auch das Auswärtige Amt, den Bundestag, die Entwicklun­gshilfe betrachtet. Eine solche umfassende und kritische Bilanz ist allerdings politisch gar nicht gewollt, deswegen glaube ich nicht, dass es dazu kommt.

Andere Nationen werden die heimkehren­den Soldaten feiern. Das ist in Deutschlan­d eher nicht zu erwarten. Aber sollten nicht auch wir die Zäsur mit einer Zeremonie würdigen?

Das wäre angemessen. Es ist das Ende eines großen Einsatzes, wie immer man dazu steht. Die Soldaten sollten jedenfalls nicht bei Nacht und Nebel in Köln-Wahn einfliegen und sich dann in die S-Bahn nach Hause setzen müssen. Gut wäre eine Rede des Bundestags­präsidente­n Wolfgang Schäuble. Wir betonen zu Recht die besondere Qualität unserer Parlaments­armee, deswegen wäre der Bundestag gefragt.

Ganz buchstäbli­ch: Was ist das Bild, das von dem Einsatz bleiben wird?

Für mich sind es die verwackelt­en Helmkamera-Aufnahmen der Kämpfe, die auf YouTube tausendfac­h angeklickt wurden – etwa des Karfreitag­sgefechts am 2. April 2010.

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