Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Endlich wieder zum Stammtisch oder ins Theater
Doppelt Geimpfte berichten vom langsamen Herantasten an früher selbstverständliche Freiheiten
RAVENSBURG - Die Impfung gegen das Coronavirus verspricht viele Freiheiten: Wer abschließend immunisiert ist, darf im Kreis Ravensburg wieder Kneipen und Restaurants betreten, ohne sich vorher testen lassen zu müssen. Auch für Besuche in Altenheimen und Krankenhäusern, für Museumsbesuche und Freizeitaktivitäten wie einen Tag im Ravensburger Spieleland oder einen Abend im Theater braucht man den Nachweis, dass man getestet, genesen oder geimpft ist. Vollständig geimpfte Bürger aus dem Landkreis erzählen, was die neue Freiheit für sie bedeutet.
Der Vorsitzende des Ravensburger Stadtseniorenrates, Ulrich Schlotter, muss nur noch wenige Tage abwarten bis die Frist von zwei Wochen nach der zweiten CoronaImpfung vorüber ist, als er sagt: „Ich habe mich so gewöhnt an die Restriktionen und habe sie so verinnerlicht, dass es mir nur langsam ins Bewusstsein kommt: Du bist geimpft!“Er rechnet damit, dass er sich erst langsam wieder darauf einlassen kann, diese Freiheit auch wieder auszuleben. Ein Samstagsfrühschoppen, bei dem er sich regelmäßig mit seinem Bekanntenkreis trifft, habe jetzt lange nicht stattfinden können. Dass diese Treffen wohl bald wieder möglich sind und er ohne vorherigen Test dabei sein kann, freut ihn.
Damit er das Impfbüchlein nicht immer mittragen muss, will er sich so schnell wie möglich um den digitalen Impfpass kümmern. Grundsätzlich
habe er sich in der Pandemie zwar an weitere digitale Anwendungen wie Videokonferenzen gewöhnt – sei aber froh, wenn das wieder ein Ende hat. „Man glotzt so viel in Bildschirme rein“, sagt Schlotter. Der persönliche Kontakt sei für ihn durch nichts zu ersetzen.
Angelika Pippir (66) aus Ravensburg war als Mitarbeiterin des Kreisimpfzentrums schon im Februar doppelt geimpft, als das öffentliche Leben noch im Lockdown-Tiefschlaf lag. Daher habe sie sich nicht an- ders verhalten oder gar „raushängen lassen“, dass sie schon vollständig immunisiert ist. „Ich wollte mich solidarisch zeigen mit denen, die diese Möglichkeit noch nicht bekommen hatten“, sagt sie. Ihre frühzeitige Impfung habe sie als „großes Privileg“empfunden. Sie habe dazu geführt, dass sie sich bei der Arbeit im Impfzentrum besser geschützt gefühlt habe und bei ihren Einsätzen mit dem mobilen Impfteam weniger Angst gehabt habe, das Virus in ein Altenheim einzuschleppen.
Inzwischen seien auch in ihrem Umfeld mehrere Menschen doppelt geimpft, sodass man sich wieder häufiger treffen könne. In der Gastronomie hat Pippir ihr Impfbüchlein
inzwischen auch schon mal vorgezeigt, wobei sie aber das Gefühl hatte, dass das Personal manchmal nicht wisse, worauf zu schauen ist. Auch ihren Personalausweis zum Abgleich, ob sie überhaupt ihren eigenen Impfpass vorzeigt, habe noch nie jemand verlangt. Demnächst will Angelika Pippir endlich mal wieder ins Theater, Karten hat sie schon gekauft. „Das hätte ich aber auch gemacht, wenn ich dafür einen Test gebraucht hätte.“
SPD-Politiker Rudolf Bindig (80) aus Weingarten hatte ebenfalls schon im März die zweite Impfdosis erhalten. Damit er im Alltag den Impfnachweis immer dabei hat, habe er sich Farbkopien vom Impfpass gemacht und in die Taschen seiner Jacken gesteckt. Die durch die Immunisierung gegen das Coronavirus zurückerlangte Freiheit hat er erst gut zwei Monate später so richtig gespürt, als er mit seiner Frau zu einem Wohnmobilurlaub entlang der deutschen Fachwerkstraße aufbrach. Auf einigen Wohnmobil-Stellplätzen mussten sie eines der „drei G“vorweisen – genesen, getestet oder geimpft. Während er schon seinen Impfpass vorzeigen konnte, hatte seine Frau noch den Aufwand, einen aktuellen Test zu beschaffen.
Ein spezielles Erinnerungsfoto aus diesem Urlaub hat ausgerechnet wegen der Pandemie Besonderheitswert – Bindig schreibt dazu: „Da ich geimpft war, habe ich mich sogar ,getraut’ in diesem Eis-Cafe in dem kleinen Fachwerkstädtchen Vlotho an der Weser einzukehren.“Der Name: Eiscafé Corona.