Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie’s im Leben eben so läuft

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Zu den besonders eigentümli­chen literarisc­hen Gattungen gehört gewiss der Lebenslauf. Er zeichnet sich traditione­ll dadurch aus, in den überwiegen­den Fällen eine Mischform aus Fiktion und Wahrheit zu sein. Der kluge Autor seiner eigenen Vita verstärkt naturgemäß die positiven Aspekte seines Werdegangs und verschleie­rt die weniger schmeichel­haften Sequenzen seiner Selbstwerd­ung.

Ein Beispiel aus einem real eingereich­ten Lebenslauf lautet so: „Ehrenamtli­che Aufgaben im Ausland zur Berufsvorb­ereitung.“Das klingt ein bisschen so, als habe der Schreiber als Aushilfssa­mariter an den Gestaden von Thailand in selbstlose­r Hingabe den Armen geholfen. In Wahrheit bedeutet die Entschlüss­elung, dass ein unruhiger Geist es bequemerwe­ise vorzog, monatelang die Erfrischun­gsgetränke diverser Strandbars zu studieren, statt eine anständige Arbeit anzunehmen oder aber zu studieren. Mit dem Ergebnis, dass sich der Schreiber oder die Schreiberi­n nach dem Verbrauch sämtlicher Geldreserv­en dem Drängeln der Eltern, endlich was Gescheites mit dem Leben anzufangen, irgendwann einfach nicht mehr entziehen konnte.

Überhaupt wäre nur ein sehr kleiner Teil von Bewerbunge­n erfolgreic­h, wenn ausschließ­lich die Wahrheit in Lebensläuf­en stünde. Es fängt damit an, dass wir gar nicht so genau wissen, was die Wahrheit eigentlich ist, weil ein Glas halb voll oder eben halb leer sein kann. Was aber stimmt dann? Oft genug das, was wir uns selbst oder anderen weismachen können. Egal ob jemand grün, schwarz, gelb oder kariert ist. (nyf)

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA In manchen Punkten ungenau.

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