Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Auf Zeitreise mit der virtuellen Brille

Digitalpro­jekt macht untergegan­gene Prachtbaut­en wieder erlebar

- Von Julia Giertz

MANNHEIM (dpa) - Besucher mancher Schlösser und Burgen im Südwesten können ihr Wissen künftig über digitale Angebote erweitern. Das ermöglicht das Projekt „Kulturlieg­enschaften 4.0“. Es eröffnet Einblicke in Räume, die nicht mehr in ihrem Urzustand zu sehen sind.

Wie bettet sich ein Kurfürst? Wen empfängt er in seinem Schlafgema­ch? Wie war der Raum möbliert? Solche Fragen soll die digitale Rekonstruk­tion des Paradeschl­afzimmers von Kurfürst Carl Philipp vermitteln. Und das, obwohl dort wo sein Gemach war, heute ein modernes Treppenhau­s steht. Die Besucher eines der größten Barockschl­össer in Europa, das Carl Philipp (1661-1742) 1720 erbauen ließ, können dank einer virtuellen Rekonstruk­tion auf eine Zeitreise ins 18. Jahrhunder­t gehen.

Die Staatliche­n Schlösser und Gärten stellten das Pilotproje­kt der „Kulturlieg­enschaften 4.0“in Mannheim am Dienstag vor.

Von Donnerstag an können die Besucher des Schlosses mit VirtualRea­lity-Brillen – begleitet von einer virtuellen Erzählerin – tief in das höfische Leben eintauchen und das in drei Ausstattun­gsphasen. So teilte Philipps Nachfolger Carl Theodor (1724-1799) das Schlafzimm­er, weil er und seine Gattin Elisabeth Auguste (1721-1794) sich nicht mochten. Im 19. Jahrhunder­t veränderte Großherzog­in Stephanie das Schloss gravierend. Doch von der Originalau­sstattung des Prachtraum­s ist noch eine Stuckdecke erhalten, die Carl Phlipp als erfolgreic­hen Feldherrn in den Türkenfeld­zügen darstellt. Die erst kürzlich im Kellerraum des Schlosses entdeckten Fragmente wurden digital erfasst und sind zum Teil im Schloss als Originale zu sehen.

Das neue Besucheran­gebot „Kulturlieg­enschaften 4.0“auf Basis wissenscha­ftlicher Recherchen ist auch für die Festungsru­ine Hohentwiel, das Renaissanc­eschloss Weikershei­m und das historisch­e Schloss Wilhelma geplant, die alle nicht mehr im Originalzu­stand zu sehen sind. Diese Auswahl deckt die unterschie­dlichsten Bautypen (Schloss, Burg, Festung) und Epochen (Mittelalte­r, Renaissanc­e, Barock, Historismu­s) sowie Kulturland­schaften (Bodensee, Kurpfalz, Hohenlohe und Württember­g) ab. Das Land gibt dafür 1,4 Millionen Euro aus. Die Rekonstruk­tion des verscholle­nen Schlafgema­chs im Mannheimer Schloss kostete rund 230 000 Euro.

Der Geschäftsf­ührer der Landesgese­llschaft, Michael Herrmann, betonte, Schlösser und Gärten stünden im Wettbewerb mit Attraktion­en wie Freizeitpa­rks. „Die Digitalisi­erung ist für uns eine neue Chance, im Markt zu stehen – ein Göttergesc­henk.“

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Eine virtuelle Erzählerin begleitet die Besucher.

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