Schwäbische Zeitung (Tettnang)
EU-Bürger fürchten wachsende Korruption
Deutsche halten laut Umfrage vor allem Manager für bestechlich
BERLIN - Korruption ist in Deutschland aus Sicht der Bundesbürger ein großes Thema. Jeder Vierte hat den Eindruck, dass sie im letzten Jahr zugenommen hat. Mehr als drei Prozent geben zu, in den letzten zwölf Monaten selbst Bestechungsgeld für eine öffentliche Dienstleistung gezahlt zu haben, ergab eine Umfrage für die Antikorruptionsorganisation Transparency International. Es ging dabei nicht um das tatsächliche Ausmaß der Korruption, sondern wie sie die Bürger wahrnehmen.
Wer wurde befragt?
Für das Global Corruption Barometer befragte das Marktforschungsunternehmen Kantar repräsentativ mehr als 40 000 Bürger in den 27 EUMitgliedsstaaten, davon 4800 in Deutschland. Die Umfrage wurde von Oktober bis Dezember 2020 durchgeführt, also vor dem Bekanntwerden des Maskenskandals, bei dem Bundestagsabgeordnete der Union für die Vermittlung von Schutzmasken Geld kassierten.
Ist die Korruption schlimmer geworden?
Ein Viertel der Bundesbürger bejaht dies mit Blick auf die vergangenen zwölf Monate. Sechs Prozent meinen dagegen, das Problem habe abgenommen. Da Transparency die Umfrage nicht regelmäßig durchführt, fehlen Vergleichswerte. Dagegen veröffentlicht die Organisation jährlich ihren Korruptionswahrnehmungsindex. Laut der jüngsten Ausgabe belegt Deutschland unter 180 Ländern weltweit den neuntbesten Platz.
Wo wird bestochen?
Ein Prozent der Befragten gab an, für Ausweispapiere und Sozialleistungen Geld hingeblättert zu haben. Doppelt so häufig wurde dies für Schulen, Kliniken und die Polizei genannt. Beziehungen ließen 17 Prozent in Krankenhäusern spielen, 14 Prozent in Schulen.
Wen halten Bürger für korrupt?
Die weißeste Weste haben Polizei und Richter, denen dies nur drei Prozent unterstellen. Die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben sieben Prozent in Verdacht, Bundestagsabgeordnete 13 Prozent. Den schlechtesten Ruf haben Führungskräfte in der Wirtschaft: Mehr als jeder Dritte hält sie für korrupt. 57 Prozent meinen, Unternehmen setzten Geld oder Beziehungen ein, um öffentliche Aufträge zu erhalten. „Bei vielen Menschen besteht der Eindruck, Unternehmen müssten nur groß und mächtig genug sein, um bei Vergehen keine Angst vor ernsthaften Konsequenzen haben zu müssen“, sagt Transparency-Deutschland-Chef Hartmut Bäumer. Die Zahlen verdeutlichten außerdem, dass das Vertrauen vieler Menschen in die Unabhängigkeit der Bundesregierung erschüttert sei. Dabei verwies er darauf, dass die Umfrage vor Bekanntwerden der Affären im Zusammenhang mit der Beschaffung von Atemschutzmasken erfolgte.
Wie steht Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern da?
Relativ gut. Im Schnitt aller EU-Länder meinen 62 Prozent der Bürger, Korruption stelle in ihrer Regierung ein großes Problem dar. Dänemark steht mit zwölf Prozent am besten da. Deutschland belegt mit 34 Prozent Platz sechs. Am größten ist der Argwohn in Kroatien, wo 92 Prozent die Regierung für korrupt halten.