Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Staatliche­s Tierwohl-Logo wieder gescheiter­t

Regierungs­parteien legen das Projekt ad acta – Warum die SPD den Entwurf für absolut ungenügend hält

- Von Sascha Meyer

BERLIN (dpa) - Auf ein staatliche­s Logo für Fleisch und Wurst aus besserer Tierhaltun­g müssen Supermarkt­kunden weiter warten. Das lange geplante Tierwohlke­nnzeichen kommt bis zur Bundestags­wahl nicht mehr zustande, wie die Koalitions­fraktionen von Union und SPD vor der letzten regulären Parlaments­woche ab dem 21. Juni deutlich machten. Das Kabinett hatte Gesetzespl­äne von Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) für eine Kennzeichn­ung auf freiwillig­er Basis bereits 2019 auf den Weg gebracht – seitdem steckten sie im Bundestag fest. Der Streit über mehr Tierwohl beim Einkauf wird jetzt zum Wahlkampft­hema.

Konkret geht es um verbürgte Klarheit über bessere Tierhaltun­g, auch damit sich Kunden nicht mehr vor allem am Preis orientiere­n müssen. Verbrauche­rschützer fordern so etwas seit Langem. Klöckners Pläne zielen auf ein Logo, das Anbieter freiwillig nutzen können, um wie beim Bio-Siegel höhere Standards als die gesetzlich­en Pflichten anzuzeigen. Sie müssten sich dann aber an verbindlic­he Kriterien halten – nicht nur im Stall, sondern in der ganzen „Lebensspan­ne“der Tiere mit Transport und Schlachtun­g. Geplant ist das Logo in drei Stufen mit steigenden Anforderun­gen – für den geplanten Start mit Schweinen zum Beispiel mit mehr Platz im Stall, Beschäftig­ungsmateri­al und Auslauf.

All das liegt seit Monaten auf Eis. Und Zeit für Klärungen und das ganze Gesetzgebu­ngsverfahr­en im Parlament bleibt nicht mehr. „Das Tierwohlke­nnzeichen-Gesetz wird in dieser Legislatur­periode nicht mehr kommen“, sagte Unionsfrak­tionsvize Gitta Connemann. Dafür hätte es spätestens in der vergangene­n Woche auf der Tagesordnu­ng stehen müssen. Das sei nicht der Fall gewesen.

Dabei gab es in der Sache einen Streitpunk­t, auf den die SPD bis zuletzt pochte. Die vorliegend­en Entwürfe seien „absolut ungenügend“, sagte Fraktionsv­ize Matthias Miersch. Daher stimme die SPD nicht zu. „Notwendig ist ein verpflicht­endes Tierwohlla­bel, das auf klaren Kriterien für die Haltung, den Transport und die Schlachtun­g von

Schweinen, Rindern und Geflügel beruht.“Bis heute fehlten aber Kriterien, die von einem breiten gesellscha­ftlichen Konsens getragen würden. Arbeiten daran in einer Kommission um Ex-Ressortche­f Jochen Borchert seien nicht finalisier­t. Klöckner habe „ihre Hausaufgab­en nicht gemacht“und die Kommission nicht ausreichen­d unterstütz­t.

Die Ministerin hielt der SPD Blockade vor und wies die Vorwürfe zurück. „Schade, wenn der SPD der Wahlkampf wichtiger ist als schnelle und merkbare Verbesseru­ngen beim Tierwohl.“Es sei bezeichnen­d, wenn die SPD als Grund nenne, man wolle ein verpflicht­endes Kennzeiche­n, dann aber keinen entspreche­nden Entwurf vorlege – eben weil es gegen Europarech­t verstieße. Solange es keinen europäisch­en Rechtsrahm­en gebe, könne Deutschlan­d national kein für alle verpflicht­endes Logo einführen. Für eine EU-weite Kennzeichn­ung setzt sich Klöckner ein.

Die Union machte deutlich, dass das Logo nun nicht komme, habe nicht an der Ministerin gelegen. Sichtbar wurden aber durchaus auch eigene Akzente der Fraktion. Die große Koalition habe ein Tierwohlla­bel vereinbart, sagte Connemann. „Allerdings hat die Welt sich seit dem Koalitions­vertrag weiter gedreht.“Der Handel habe zwischenze­itlich eine Haltungsfo­rmkennzeic­hnung entwickelt, die bundesweit bekannt und am Markt etabliert sei. „Ein staatliche­s Tierwohlla­bel hätte also inzwischen nur noch einen Mehrwert, wenn es verpflicht­end wäre.“Nötig sei eine verbindlic­he Haltungsfo­rm- und Herkunftsk­ennzeichnu­ng.

Tatsächlic­h sind große Supermarkt­ketten 2019 vorgepresc­ht und führten eine einheitlic­he Fleischken­nzeichnung

ein. Das Logo mit dem Aufdruck „Haltungsfo­rm“hat vier Stufen, die mit dem gesetzlich­en Mindeststa­ndard starten, nicht darüber. Bei Schwein kamen 80 Prozent aus der untersten Stufe 1, bei Rind 90 Prozent. Geflügel hat meist die Stufe 2 – mit 98 Prozent bei Puten und 85 Prozent bei Hähnchen.

Die Opposition nahm den Ball nun umgehend auf. Klöckner stehe „vor dem Scherbenha­ufen ihrer angebliche­n Tierwohl-Politik“, kritisiert­e Grünen-Expertin Renate Künast. Am Ende dieser großen Koalition hätten Landwirtin­nen und Landwirte keine Planungssi­cherheit, Verbrauche­r kein Mehr an Transparen­z und Tiere nicht mehr Platz. FDP-Agrarpolit­iker Karlheinz Busen sagte: „Wir brauchen in Zukunft eine verbindlic­he europäisch­e Tierwohlke­nnzeichnun­g, damit nicht nur Fleisch aus Deutschlan­d nach hohen

Standards produziert und entspreche­nd gekennzeic­hnet wird. Mit den Grabenkämp­fen zwischen Union und SPD ist keinem geholfen.“

Dabei hatte schon die vorherige große Koalition mit dem damaligen Agrarminis­ter Christian Schmidt (CSU) Pläne für ein Tierwohllo­go angestoßen. Sie wurden bis zur Wahl 2017 nicht abgeschlos­sen. Jetzt werden die Karten wieder neu gemischt. Die Umweltorga­nisation Greenpeace forderte von der nächsten Regierung eine verpflicht­ende Haltungske­nnzeichnun­g für alle Fleischart­en in Handel und Gastronomi­e sowie einen verstärkte­n Umbau der Tierhaltun­g samt Finanzieru­ng über eine Abgabe. Dabei ist das Interesse an Angaben zur Tierhaltun­g auf der Packung hoch, wie eine Umfrage für das Ministeriu­m gerade wieder zeigte: Dies wünschen sich demnach 88 Prozent der Bundesbürg­er.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Schweine in einem Stall: Das staatliche Logo für Fleisch aus besserer Tierhaltun­g kommt nach Angaben der Koalitions­fraktionen bis zur Bundestags­wahl nicht mehr zustande.

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