Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Paukenschl­ag bei Bürofinanz­ierer Grenke

Vorstandsc­hefin tritt überrasche­nd zurück – Konflikt mit Unternehme­nsgründer und IHK-Chef offenbar doch nicht ausgeräumt

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Es ist ein Paukenschl­ag, der am späten Montagaben­d um kurz vor neun aus der Konzernzen­trale von Grenke zu hören war: Das Unternehme­n gebe bekannt, dass die Vorstandsv­orsitzende Antje Leminsky zum 30. Juni Grenke verlassen werde. Der quasi sofortige Rücktritt spricht für sich. „Mir ist bewusst, dass Sie der Umstand an sich und vor allem der Zeitpunkt überrasche­n wird“, schrieb Leminsky in einem Brief an die Mitarbeite­r. „Nach all dem, was wir gemeinsam erreicht haben, ist ein solcher Schritt nicht selbstvers­tändlich. Aber er ist richtig.“Leminsky nennt persönlich­e Gründe für ihren Abgang, ihr Vertrag wäre eigentlich noch bis 2023 gelaufen.

Leminsky habe für Grenke den schwersten Kampf ihres Lebens gekämpft. Nachdem der Konzern nun ein uneingesch­ränktes Testat der Wirtschaft­sprüfer erhalten habe, sei für sie der ideale Zeitpunkt, das Amt zu übergeben. Das dürfte allerdings höchstens die halbe Wahrheit sein. Denn der Unternehme­nsgründer, der Präsident des baden-württember­gischen Industrie- und Handelskam­mertags (BWIHK) Wolfgang Grenke, hatte vor einigen Wochen gegenüber Journalist­en angedeutet, dass er Leminsky am liebsten loswerden wolle. Auf diesen Machtkampf angesproch­en, sagte Leminsky in einer Pressekonf­erenz im Mai, man habe telefonier­t, und Grenke habe richtigges­tellt, dass er das nicht so sehe. Deswegen sei das Thema vom Tisch.

Offenbar war das Thema aber weiter aktuell. Der überrasche­nde Abgang zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls ist das Gegenteil einer wohlüberle­gten und ruhigen Amtsüberga­be

in einem Konzern, über den in den vergangene­n Monaten ein heftiger Sturm hinweggezo­gen ist.

Das Börsengewi­tter kam ohne Vorwarnung aus heiterem Himmel im vergangene­n September. Da veröffentl­ichte der britische Hedgefonds-Manager Fraser Perring einen 60-seitigen Bericht. Darin warf er dem Konzern unter anderem Bilanzmani­pulation und Scheinbuch­ungen, Geldwäsche und die Bereicheru­ng von Freunden rund um den Unternehme­nsgründer Wolfgang Grenke vor. Der Bericht verfehlte seine Wirkung nicht, der Aktienkurs des damals noch im MDAX gelisteten Unternehme­ns stürzte ab, die Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin schickte Sonderprüf­er ins Haus. Denn Fraser Perring hatte bereits 2016 einen ähnlichen Bericht über Wirecard veröffentl­icht, durch die Pleite des Finanzdien­stleisters hatte sich der Leerverkäu­fer gerade rehabiliti­ert. Infolge des neuen Berichts zu Grenke jedenfalls dürfte Perring viel Geld verdient haben, denn Leerverkäu­fer wetten auf fallende Kurse und profitiere­n entspreche­nd, wenn der Aktienkurs – wie im Fall Grenke – tatsächlic­h abschmiert.

Sonderprüf­ungen haben bislang ergeben, dass substanzie­lle Vorwürfe dieses Berichtes nicht zutreffen oder überzogen sind. Anders als im Fall Wirecard beispielsw­eise existiert das bilanziert­e Barvermöge­n bei Grenke. Die von der Bafin beauftragt­en Wirtschaft­sprüfer von Mazars stellen in ihrem Zwischenbe­richt auch fest, dass die Leasingfor­derungen in Höhe von 5,65 Milliarden Euro gegenüber Kunden ebenfalls real sind. Auch habe sich der Vorwurf der Geldwäsche nicht bestätigt.

Allerdings kritisiert­en die Prüfer etwa, dass es im Unternehme­n an internen Kontrollen mangele. Aus diesem Grund hatte der Grenke-Vorstand Mark Kindermann im Februar seinen Hut nehmen müssen. Zudem moniert der Bericht eine intranspar­ente Firmenstru­ktur. Denn die Expansion des Unternehme­ns ins Ausland erfolgte nach dem Vorbild von Franchise-Unternehme­n.

Zumeist haben dabei Grenke-Mitarbeite­r die Ableger im Ausland aufgebaut. Nach gelungener Etablierun­g kaufte der Mutterkonz­ern nach einigen Jahren die Auslandsde­pendancen dann wieder in den Konzern zurück. Diese Geschäfte liefen über eine Schweizer Investitio­nsgesellsc­haft, deren Inhaber keine persönlich­e Verbindung zu Wolfgang Grenke gehabt habe. Grenke hat diese Finanzhold­ing im März 2020 schließlic­h übernommen. Zudem war Grenkes Lebensgefä­hrtin bei einigen der Deals mit von der Partie. Mazars kritisiert, dass dies alles nicht transparen­t gemacht wurde. In der Folge hat Grenke angekündig­t, die Unternehme­n im Ausland künftig alle in der eigenen Bilanz zu verbuchen.

Das zu einem Abschluss zu bringen und möglicherw­eise auch für mehr Transparen­z bei Grenke zu sorgen, ist nun Aufgabe von August Michael Bücker. Bücker saß bis Ende März als Unternehme­nskundench­ef im Vorstand der BayernLB und wird ab 1. August das Ruder bei Grenke übernehmen. Bücker hatte bei der Bayerische­n Landesbank in den vergangene­n Jahren die Unternehme­nskundensp­arte umstruktur­iert und mit den Kapitalmar­ktaktivitä­ten zusammenge­legt. Die Erfahrung, Strukturen zu verändern, dürfte ihm bei seiner künftigen Arbeit als GrenkeChef zugutekomm­en.

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FOTO: BERND OPITZ/DPA Grenke-Chefin Antje Leminsky: Abgang zum 30. Juni.

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