Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Nordzufahrt zur Stiftung steht in der Kritik
In und um Liebenau ist keine Ruhe eingekehrt: Bürger stören sich an Zuwegung von Berger Halde her
LIEBENAU - Die beabsichtigte Nordzufahrt zur Stiftung Liebenau beschäftigt weiter die Gemüter. Im April hatte der Gemeinderat mit großer Mehrheit diese Zuwegung von der Berger Halde im Geltungsbereich des Bebauungsplans Liebenau belassen – damit ist es grundsätzlich möglich, die Zufahrt zu prüfen, die auch der Entlastung der Einmündung in die Siggenweiler Straße dienen soll. Eugen Lehle machte sie in der Mai-Sitzung zum Thema, und auch der Mailverkehr zwischen Anwohnern im Oberen Bezirk und dem Rathaus reißt in der Sache nicht ab. Die SZ hat hier wie dort sowie bei der Stiftung angefragt und listet sieben Aspekte auf:
Die Vorgeschichte: Im November 2018 lockt die Bürgerversammlung 150 Interessierte in den „Hirsch“in Liebenau. Thema ist der Rahmenplan, mit dem – als planerischem Dach – ein Blick in die Zukunft des „Oberen Bezirks“möglich sein soll. Als Zusammenspiel der Entwicklungsmöglichkeiten, die sich der Stiftung Liebenau und dem Ort bieten. Die stellen sich im Frühjahr 2021 stark reduziert dar, als im Gemeinderat der Aufstellungsbeschluss für das Planwerk fällt. Knackpunkt ist der Geltungsbereich: Die BUS-Fraktion stellt den Antrag, die Nordzufahrt herauszunehmen. Was bei fünf Ja-Stimmen der BUS und zwei Enthaltungen abgelehnt wird.
Zuletzt im Rat: Im Mai steht die Vergabe der Grundleistungen für den Plan an: In Verbindung mit dem städtebaulichen Vertrag mit der Stiftung Liebenau erhält das Büro Pesch Partner zum Nettopreis von 70 500 Euro (brutto sind es 83 900 Euro) den Zuschlag. Mit 16:6-Stimmen ergeht der Beschluss. Mit der BUS-Fraktion stimmt Eugen Lehle ablehnend ab. Der Gemeinderat der Freien Wähler ändert sein Votum gegenüber der Abstimmung drei Wochen zuvor und zitiert den einstigen Bundeskanzler Adenauer: „Es kann mich doch niemand hindern, jeden Tag klüger zu werden“. Wobei Lehle für seinen Sinneswandel explizit die Nordzufahrt mit der Verkehrssituation für die Anwohner, Sorge aufgrund der nahen Kindertagessstätte und die schwierige Ausfahrt auf die B467 nennt.
Die Sicht der Bürger: Diese scheint eindeutig: Schon bei der Bürgerversammlung überwiegen die kritischen Rückmeldungen. Eine 215 Unterschriften starke Liste gegen die Zufahrt soll dem Nachdruck verleihen – im Dezember 2018 übermittelt ans Rathaus und die Stiftung Liebenau. In Mailanfragen ans Rathaus setzt sich dies derzeit fort. Unverständnis wird laut, die Argumentationen führen an, dass die Berger Halde jetzt schon stark befahren und baulich nicht in der Lage sei, weiteren Verkehr gefahrlos aufzunehmen. Im Begegnungsverkehr müssten Fahrzeuge auf den Gehweg ausweichen. Täglich gebe es kritische Situationen zu beobachten.
Die Problematik, dass die Flächen östlich des Kindergartens im Landschaftsschutzgebiet liegen, reißt unter anderem Paul Gesell an. Er ist zudem der Ansicht, dass die Stiftung dort Parkplätze abgebaut habe, „wo sie hingehören“(vor Empfang und Verwaltung). Seine Einschätzung: Im Bereich „Windel-Willi“gebe es ausreichend Platz für Parkplätze „an der richtigen Stelle“.
Eine der Antworten: Bürgermeisterin Elisabeth Kugel dankt grundsätzlich für die Anregungen, aber auch allen, „die nicht zu vorschnell eine optimale Lösung X durch eine ,Entweder-oder-Reaktion’ verhindern, sondern einen Freiraum offen halten für ,Lösung 3’, die wir bisher noch nicht kennen und vielleicht alle gemeinsam mit dem Fachwissen von weiteren Experten entwickeln können, um zukünftig möglichst viele der allesamt nachvollziehbaren und berechtigten Interessen und Bedürfnisse zu vereinen.“In diesem Sinne freue sie sich „an dieser Stelle unseres Bebauungsplans auf ein überdurchschnittliches Ergebnis für die erforderliche ,Quadratur des Kreises’“.
Hinweise aus dem Rathaus: Die Nordzufahrt sei in den Geltungsbereich aufgenommen worden, um zu prüfen, ob sie gebaut werden kann
– so benennt Pressereferentin Lisa Heinemann die Absicht dahinter. Eine Reihe von externen Gutachten werde zu Einzelaspekten gefertigt, sei es zum Lärm oder zu Verkehrsströmen. Nur durch die Aufnahme in den Bebauungsplan könne das Thema eingebettet und gesamtheitlich betrachtet werden, ist die Pressereferentin überzeugt.
Im Ausblick: Mit Nummer 24 der Gemeindenachrichten setzt laut Lisa Heinemann am Wochenende eine vierteilige Info-Reihe ein. Sie stellt die Rückmeldungen aus der Bevölkerung zum Rahmenplan Liebenau vor – darunter, welche Themen seither weiterverfolgt und geprüft wurden.
So geht es weiter: Seitens der Gemeindeverwaltung wird angestrebt, gegen Jahresende einen ersten Entwurf des Bebauungsplans im Gemeinderat vorzustellen. Im Verfahren sind zwei Möglichkeiten vorgesehen, bei denen sich Bürger einbringen können – bei der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie nochmals vor der Verabschiedung des Plans.
So sieht es die Stiftung: Seitens der Öffentlichkeitsarbeit hebt Christoph Möhle hervor, dass sich die Sichtweise der Stiftung mit der Argumentation der Gemeindeverwaltung in vielen Punkten deckt. Was die Aufnahme der Nordzufahrt in den Geltungsbereich betrifft, „sind wir der Meinung, dass eine fachlich fundierte Prüfung von erfahrenen unabhängigen Fachleuten im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens die beste Grundlage darstellt, um Informationen zusammenzutragen und eine begründete und gesicherte Entscheidung für oder gegen eine zukünftige Realisierung der Nordzufahrt zu treffen“. Und weiter: „Unabhängig von dieser Entscheidung war und ist die Stiftung Liebenau stets bestrebt, die Interessen unserer Bewohnerinnen und Bewohnern, der WfbM-Beschäftigten auf dem Gelände, unserer Mitarbeitenden und der an das Gelände angrenzenden Anwohnerinnen und Anwohner abzuwägen.“