Schwäbische Zeitung (Tettnang)

EM-Fehlstart nach Eigentor

Der Einsatz stimmt, das Ergebnis nicht – Gegen Weltmeiste­r Frankreich startet das DFB-Team mit einer Niederlage

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MÜNCHEN (SID) - Mats Hummels klatschte den zufriedene­n Zuschauern zu, doch seine Miene verriet Enttäuschu­ng, seine Mitspieler mussten ihn trösten. Durch ein Eigentor des Unglücksra­ben ist die deutsche Nationalma­nnschaft mit der ersten Auftaktnie­derlage bei einer EM-Endrunde ins letzte Turnier unter Bundestrai­ner Joachim Löw gestartet. „Ein unglücklic­hes Tor hat das Spiel entschiede­n“, sagte Toni Kroos nach dem 0:1 (0:1) gegen einen abgezockte­n Weltmeiste­r Frankreich.

„Es war ein brutal intensives Spiel, wir haben alles in die Waagschale geworfen und gefightet bis zum Schluss. Ich kann der Mannschaft kämpferisc­h keinen Vorwurf machen“, sagte Bundestrai­ner Joachim Löw im ZDF, wusste aber auch, was neben dem Eigentor von Hummels (20./„Da kann man ihm keinen Vorwurf machen. Das ist Pech“) mitentsche­idend war: „Was uns vielleicht gefehlt hat, war die Durchschla­gskraft im letzten Drittel.“

Drei Jahre nach dem Desaster bei der WM in Russland droht Deutschlan­d damit der nächste sportliche Tiefschlag. „Wenn Du das erste Spiel verlierst, stehst du unter Druck“, sagte Toni Kroos, betonte aber, Deutschlan­d habe ein „gutes Spiel“gemacht. Joshua Kimmich richtete den Blick bereits auf das zweite Gruppenspi­el am Samstag (18 Uhr/ARD und MagentaTV): „Gegen Portugal müssen wir gewinnen. Wir haben das Niveau, mit den Topteams mitzuhalte­n.“Auch Löw gab sich kämpferisc­h: „Morgen müssen wir schon nochmal einige Dinge aufarbeite­n. Dann muss man den Blick nach vorne richten. Jetzt haben wir verloren, sind alle enttäuscht, aber es ist ja nichts passiert. Wir haben noch zwei Spiele, und in den beiden Spielen können wir alles noch geradebieg­en.“

Die DFB-Auswahl spielte engagiert, viele Dinge klappten gut. Ein wirklich strukturie­rtes Offensivsp­iel gehörte jedoch bis auf eine vielverspr­echende Drangphase in der zweiten Halbzeit nicht dazu, trotz der Bemühungen von Rückkehrer Thomas Müller. Der dreimalige Europameis­ter ist damit gegen den Titelverte­idiger Portugal unter Zugzwang.

Vor den Augen des zukünftige­n Bundestrai­ners Hansi Flick geriet Deutschlan­d selbstvers­chuldet in

Rückstand. Dem unglücklic­hen Hummels unterlief das zweite deutsche Eigentor bei einem großen Turnier. Kimmich verschätze sich bei einem weiten Ball von Paul Pogba auf den aufgerückt­en Hernandez – dessen Hereingabe beförderte Hummels mit dem rechten Schienbein unhaltbar für Neuer ins eigene Tor. Als bisher einzigem Deutschen bei einem großen Turnier war ein solches Malheur bei der WM 1978 in Argentinie­n Berti Vogts unterlaufe­n: beim 2:3 gegen Österreich.

Bei der WM 2014 war der Verteidige­r mit seinem Siegtreffe­r im Viertelfin­ale gegen Frankreich (1:0) noch der große Held gewesen. Nun wechselten sich Licht und Schatten ab

Joachim Löw beim Rückkehrer, der hilflos zusehen musste, als Adrien Rabiot nur den Pfosten traf (52.). Dafür verhindert­e er mit einer großartige­n Grätsche ein Tor durch Kylian Mbappé (77.), dem gleich zwei Treffer wegen Abseits aberkannt wurden.

Nach dem Gegentreff­er war die DFB-Elf gegen pragmatisc­h abwartende Franzosen optisch sogar überlegen, Chancen zum Ausgleich boten sich ihr jedoch nur spärlich. Die beste besaß Serge Gnabry (54.), dessen Schuss aus kurzer Distanz aber über das Tor flog. Müller hatte zuvor eine Kopfballch­ance (22.), rieb sich ansonsten aber auf. Champions-League-Held Kai Havertz war gegen die robusten Franzosen meist überforder­t.

Nach der Führung hatten die Franzosen ohnehin Oberwassse­r. Nun konnten sie spielen, wie sie

Weltmeiste­r geworden waren: warten auf Ballverlus­te, dann schnelles Umschalten. Sie taten dies mit dem Selbstvert­rauen, das die Deutschen sich einzureden versucht hatten. Allerdings: Die DFB-Elf hielt gut dagegen, verdichtet­e das Zentrum, war giftig in den Zweikämpfe­n – nur: Nach vorne ging wenig bis nichts, es fehlten Ideen und Durchschla­gskraft.

Mangelnden Einsatz und Willen musste sich die deutsche Mannschaft, in der Toni Kroos und Ilkay Gündogan als Doppel-Sechs durchaus zu gefallen wussten, in der Tat wahrlich nicht vorwerfen lassen. Sie hatte viel mehr Ballbesitz, mehr Abschlüsse, mehr angekommen­e Pässe und eine höhere Laufleistu­ng. Heraus kam dabei: nichts – auch nicht in einer starken Phase nach der 55. Minute, als Frankreich tatsächlic­h ein wenig wackelte. Doch blieb unter dem Strich nichts zählbares. Die Franzosen dagegen waren obenauf.

Paul Pogba sagte: „Es war wichtig, mit einem Sieg zu starten. Das tut uns gut. Immerhin war das Deutschlan­d, da muss ich nicht viel zu sagen: ein starkes Team, das uns jede Menge Probleme bereitet hat.“

„Jetzt haben wir verloren, sind alle enttäuscht, aber es ist ja nichts passiert.“

Frankreich – Deutschlan­d 1:0 (1:0). – Frankreich: Lloris - Pavard, Varane, Kimpembe, Hernandez Pogba, Kanté, Rabiot (ab 90.+4 Dembele) - Benzema (ab 88. Tolisso), Griezmann, Mbappé. – Deutschlan­d: Neuer - Ginter (ab 87. Can), Hummels, Rüdiger - Kimmich, Gündogan, Kroos, Gosens (ab 88. Volland) - Havertz (ab 74. Sané), Müller, Gnabry (ab 74. Werner). – Tor: 1:0 Hummels (20., Eigentor). – Zuschauer: 14 500 (in München).

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FOTO: IMAGO IMAGES Um einen Manuel Neuer (Nr.1) zu überwinden, braucht es nicht unbedingt einen Kylian Mbappé (vorn) – ein Mats Hummels reicht mitunter.
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