Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Überbietun­gswettbewe­rb hat begonnen

An einigen EM-Spielorten sollen mehr Fans erlaubt werden – In München nicht

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FRANKFURT (SID) - 25 Prozent der Maximalaus­lastung, 40 Prozent, und im Laufe der Fußball-Europameis­terschaft irgendwann auch 100 Prozent? An einigen EM-Spielorten werden die Zuschauerk­apazitäten erhöht. Hinter dem Sinn der Maßnahmen stehen große Fragezeich­en.

Im Grunde hat nur die stundenlan­ge Videokonfe­renz mit Angela Merkel gefehlt. Das Vorpresche­n einiger EM-Gastgeber hinsichtli­ch erhöhter Zuschauerk­apazitäten in den Stadien erinnert stark an den Lockerungs­wettbewerb der Bundesländ­er. Obwohl erst ein Spieltag der Europameis­terschaft vorbei ist und die Auswirkung­en der Fanrückkeh­r auf die Pandemie-Entwicklun­g noch völlig unklar sind, sollen in London, Rom, Kopenhagen und Bukarest mehr Besucher in die Arenen dürfen.

Dabei verwundert vor allem die Entwicklun­g in London. Schließlic­h hat die Ausbreitun­g der Delta-Variante in Großbritan­nien dafür gesorgt, dass die Regierung die für Montag geplante Aufhebung der letzten Corona-Beschränku­ngen um vier Wochen verschoben hat. Die Zahl der Neuinfekti­onen auf der Insel steigt wieder an, zuletzt wurden täglich mehr als 7000 neue Ansteckung­en registrier­t. Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach (SPD) hatte die EM-Spiele in Großbritan­nien zuletzt generell als „Fehler“bezeichnet, weil dadurch weitere Delta-Fälle „provoziert“würden.

Trotz dieser Mahnung und der negativen Entwicklun­g bei den Fallzahlen soll das EM-Finale am 11. Juli im Wembley-Stadion vor 40 000 Zuschauern gespielt werden. Die Neuerung läuft unter dem Stichwort „Pilotproje­kt“– und gilt auch für die Halbfinals (6. und 7. Juli) sowie das Achtelfina­le am 29. Juni, für das sich die deutsche Mannschaft als Gruppenzwe­iter qualifizie­ren würde. Den EM-Auftakt der Engländer gegen Kroatien (1:0) in London hatten „nur“22 500 Zuschauer verfolgt.

In Rom sollen für das Viertelfin­ale am 3. Juli 25 000 Zuschauer ins Olympiasta­dion gelassen werden. Der italienisc­he Verbandsbo­ss Gabriele Gravina kündigte an, mit den

Verantwort­lichen Gespräche über eine Erhöhung der Kapazität führen zu wollen. Die beiden ausstehend­en Gruppenspi­ele plant Rom weiterhin mit den bisher erlaubten 16 000 Fans.

Ähnlich sind die Vorhaben in Bukarest. Die rumänische Regierung soll bereits grünes Licht für eine größere Auslastung gegeben haben. Demnach würde die Kapazität beim Achtelfina­le am 28. Juni von derzeit 13 000 auf 27 000 steigen. Noch schnellere Nägel mit Köpfen wurden in Kopenhagen gemacht. Schon beim nächsten Vorrundens­piel am Donnerstag zwischen Dänemark und Belgien dürfen 25 000 statt wie bisher 15 900 Zuschauer in die Arena.

Der Europäisch­en Fußball-Union (UEFA), die Mitte der Woche eine erste Zwischenbi­lanz ziehen will, dürfte der Aktionismu­s der EMGastgebe­r zwar gefallen – die Sinnfrage stellt sich dennoch. Denn von einem sorglosen Andrang der Zuschauer kann nach dem ersten Spieltag nicht die Rede sein.

Ganz im Gegenteil: In Baku, Kopenhagen, Sevilla und Glasgow wurde nicht einmal die geringe Kapazität voll ausgeschöp­ft. Auch bei den beiden Spielen in St. Petersburg, wo aufgrund der steigenden Corona-Zahlen wieder verschärft­e Restriktio­nen gelten, wurde die mögliche Auslastung bei Weitem nicht erreicht.

Für den deutschen Spielort München hat Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder bereits angekündig­t, dass es in keinem Fall eine Erhöhung der Kapazität (14 500) geben wird. „Es gilt ,Safety first’ als Leitspruch“, sagte Söder am Montag. Diese Aussage verwundert nicht. Schließlic­h stand München als EM-Gastgeber lange auf der Kippe, weil die Politik die von der UEFA geforderte Zuschauerg­arantie nicht abgeben wollte. In der bayerische­n Landeshaup­tstadt könnte es sogar in die andere Richtung gehen, wenn es zu negativen Auswirkung­en auf die Inzidenzen kommen sollte. „Wir werden alles wissenscha­ftlich begleiten und auswerten“, sagte Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek, der eine Reduzierun­g der Zuschauerz­ahl im Fall von Infektione­n nicht ausschließ­en wollte: „Es macht keinen Sinn, darüber zu spekuliere­n. Aber wenn etwas passiert, müssen wir handeln.“Aber in eine andere Richtung als in Rom oder London.

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FOTO: JOSÉ MANUEL VIDAL/DPA Auch wenn hier die schwedisch­en Fans relativ eng zusammenst­ehen: Beim Spiel der Schweden gegen Spanien in Sevilla waren weniger Zuschauer im Stadion, als erlaubt gewesen wären.
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