Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die UEFA lässt sich von den schönen Bildern blenden
Die Impfkampagnen greifen, Vorsichtsmaßnahmen werden weiter beherzigt, die Temperaturen leisten ihr Übriges. Wer mancherorts trotz Inzidenzzahlen im lange nicht mehr gekannten Bereich (München steht etwa bei 15) mit halbgefüllten Stadien hadert, der gehört nicht mehr zur Vorsichts-, sondern zur Nichts-gönnen-können-Fraktion. Modellprojekte wie beim Drittligaspiel von Hansa Rostock (29 000 passen rein, 7500 waren drin) bestätigten unlängst, was wissenschaftlich ohnehin bewiesen scheint: Infektionen an der frischen Luft sind sehr selten. Selbst dichtgedrängte Fanfeiern wie in Rostock, der Fanmarsch mit 25 000 Fans vor dem EM-Spiel zwischen Ungarn und Portugal in Budapest
Natürlich gehen die CoronaZahlen in den meisten europäischen Ländern zurück. Natürlich macht es auch dem Zuschauer auf dem Sofa mehr Spaß, wenn in den EM-Stadien Stimmung herrscht. Öde Partien mit dem Flair von Trainingsspielen hat es in den vergangenen Monaten zur Genüge gegeben.
Aber müssen sich die EM-Standorte jetzt wirklich einen Wettkampf liefern, wer mehr Zuschauer zulässt? Muss es auch hier nach dem Motto „höher, schneller, weiter“gehen?
Man möchte den Verantwortlichen zurufen: Seid froh, dass überhaupt vor Zuschauern gespielt werden kann. Seid froh, dass nach und nach eine Normalität zurückkehrt. So entsteht jetzt wieder der Eindruck, oder auch ausverkaufte Stadien sollten uns keine Angst machen, solange sich an gewisse Regeln gehalten wird. Die EM kann in Teilen zum Volksfest wie zu Vor-Corona-Zeiten werden. Nur den Fuß auf der Bremse zu haben, ist unnötig, wenn die Argumente dagegen sprechen. Auch die Zeit der Symbolpolitik ist nach über einem Jahr Pandemie vorbei. Es gibt Erkenntnisse und Konzepte, die müssen umgesetzt und ständig an die Lage angepasst werden. Auch wenn es manchen Entscheidern nur ums Geld gehen mag, könnten gut gefüllte Stadien zum lang ersehnten Schritt Richtung Normalität werden.
„Die Zeit der Symbolpolitik ist vorbei.“
Von Felix Alex
König Fußball habe eine Sonderrolle. Warum sollten in London noch mehr Zuschauer ins Stadion gelassen werden, während parallel die CoronaMaßnahmen in Großbritannien wieder verschärft werden? Wenn schon Lockerungen, dann bitte überall, nicht nur in EM-Stadien.
Die Verantwortlichen der UEFA täten gut daran, den Wettbewerb um Fans direkt zu beenden. Stattdessen werden sich Präsident Aleksander Ceferin und seine Mitstreiter an den Bildern von vollen Stadien wie in Budapest erfreuen. The show must go on – und letztlich geht es doch eh nur ums Geld.
Von Thorsten Kern
„Es entsteht der Eindruck einer Sonderrolle.“