Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Finnland ist auf den Spuren der Isländer
Die Finnen stehen nicht nur vor dem Einzug ins Achtelfinale, sie sammeln auch Sympathiepunkte
ST. PETERSBURG (dpa/SID) - Der Kontrast könnte kaum größer sein. Auf der einen Seite der Gastgeber Russland, dessen Zuschauer am vergangenen Samstag die Anti-Rassismus-Gesten der Belgier und des Schiedsrichter-Gespanns auspfiffen. Auf der anderen Seite die Finnen, die als freundlicher Außenseiter schon vor ihrer ersten EM-Teilnahme sehr beliebt waren und deren Fans nach dem Zusammenbruch des Dänen Christian Eriksen eine Atmosphäre der Empathie und des Zusammenhalts erzeugten.
Finnlands größter Trumpf heißt „Sisu“. Das ist kein Spieler, sondern ein Ausdruck in der Landessprache, der Begriffe wie Härte, Mut und Kraft zusammenfasst. Und so spielt der EM-Neuling auch. „Keine Zaubertricks“, beschrieb es Kapitän Tim Sparv im Magazin „11 Freunde“, „nur elf selbstlose, hart arbeitende Spieler, die es satt hatten, dass die ganze Nation Witze über sie macht.“
Davon kann jetzt schon keine Rede mehr sein. An diesem Mittwoch (15 Uhr/MagentaTV) kommt es in St. Petersburg zum Duell der Nachbarn Finnland und Russland. Was nach dem Drama um Eriksen beinahe untergegangen wäre: Finnland hat die Chance, sich mit einem Sieg gleich beim ersten großen Turnier seiner Fußball-Geschichte vorzeitig für das Achtelfinale zu qualifizieren. Das wäre eine Sensation. „ Der Sieg gegen Dänemark war der erste Meilenstein. Und wir haben die nächsten Meilensteine schon im Kopf “, sagte Trainer Markku Kanerva.
Sein Team ist auf dem besten Weg, an eine wundersame Story der EM 2016 in Frankreich anzuknüpfen. Mit unerschrockenen Wikinger-Kickern, äußerst pragmatischem Fußball und frenetischen Fans („Huh!“) schaffte es der Außenseiter Island damals an England vorbei bis ins Viertelfinale. Die Finnen haben die
Isländer schon mehrfach als ihre Vorbilder bezeichnet. Torwart Lukas Hradecky von Bayer Leverkusen nennt sie „eine große Inspiration“.
Ihr Verhalten nach dem EriksenKollaps hat die Beliebtheit der Finnen noch einmal gesteigert. Als Joel Pohjanpalo gegen Dänemark das Siegtor schoss, brach der Stürmer von Union Berlin den Jubel einfach ab. Die finnischen Fans im Stadion riefen „Christian“, die dänischen antworteten mit „Eriksen“. „Wir freuen uns, dass es Christian Eriksen wieder besser geht. Und wir werden diese Bilder auch nach dem Turnier niemals vergessen“, sagte Kanerva.