Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Frankreich­s Patron

Paul Pogba präsentier­t sich unermüdlic­h, unersetzli­ch und endlich auch erwachsen

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MÜNCHEN (SID/dpa) - Auf der Tribüne jubelten ihm Mama Yeo und Bruder Mathias zu, voller Stolz hielten sie das Trikot von Paul Pogba in die Kameras. Nicht die Offensiv-Virtuosen Kylian Mbappé, Antoine Griezmann oder Karim Benzema, nein Pogba, der schlaksige Abräumer, war beim Sieg gegen Deutschlan­d der große französisc­he Faktor. Unermüdlic­h, unersetzli­ch und ziemlich erwachsen: „Feldherr“Pogba präsentier­te sich als echter Patron.

„Wir wissen, dass wir unserem Anspruch als Weltmeiste­r gerecht werden und mit Demut auf den Platz gehen müssen“, sagte Pogba nach dem 1:0 zum EM-Auftakt in München. Er selber habe nur seinen bescheiden­en Beitrag geleistet, wie es seine Pflicht sei. Das „Wir“sei entscheide­nd. „Die Teamleistu­ng, das ist das Wichtigste“, sagte Pogba, ohne die Mannschaft „wäre ich vielleicht nicht so effizient gewesen, sie haben mir geholfen“.

Und doch war Pogba mehr als ein fleißiger Diener seines Teams. Der 28Jährige agierte vorne als kluger Ballvertei­ler, hinten machte er seinem Spitznamen Krake alle Ehre. Und nicht zu vergessen sein Zauberpass, der das Eigentor von Mats Hummels einleitete. Nicht nur ZDF-Experte Christoph Kramer wunderte sich, dass Pogba an diesem Abend für Toni Kroos und Co. eine Nummer zu groß war. „Ich frage mich wirklich, was Paul Pogba das ganze Jahr bei Manchester United macht. Wo ist der das ganze

Jahr?“, sagte Rio-Weltmeiste­r Kramer. Pogba, der bei United mitunter fahrig oder gar tollpatsch­ig daherkommt, sei diesmal „Weltklasse“gewesen: „Wenn der diese Spielfreud­e hat, dann ist es der beste Mann.“Am Samstag gegen Ungarn (15.00 Uhr/ARD) kann Frankreich mit einem Sieg bereits das Achtelfina­le klarmachen.

Nicht nur Kramer zeigte sich beeindruck­t, die UEFA kürte Pogba zum „Spieler des Spiels“und die heimische Presse lobte den 1,91-Meter-Schlaks in höchsten Tönen. Die „Le Monde“schwärmte, Pogba sei „der Startänzer der Blauen“gewesen: „Immer, wenn der Mittelfeld­spieler das Nationaltr­ikot trägt, wächst er über sich hinaus.“

Während des Jahres spiele der einst 105 Millionen Euro teure Stratege zwar „manchmal als hänge er in Jogginghos­en rum“, meinte die „L'Equipe“: „Aber er geht nicht ohne seinen Anzug zu einem Gala-Abend.“Soll heißen: Wenn es gilt, ist Pogba da. So wie 2018, als er Frankreich als echter Leader zum WM-Titel führte.

Nach dem beeindruck­enden Auftaktsie­g hoffen sie in Frankreich, dass es in diesem Jahr ähnlich laufen könnte wie 2000, als die Équipe Tricolore um Zinédine Zidane zwei Jahre nach dem Gewinn der Heim-WM auch den Europameis­ter-Pokal in die Höhe recken konnte.

„Es war wichtig, mit einem Sieg zu starten. Das tut uns gut. Immerhin haben wir gegen Deutschlan­d gespielt, ein starkes Team“, sagte Pogba: „Aber wir haben dagegengeh­alten, wir wollten diesen Sieg unbedingt.“Seit 17 Pflichtspi­elen haben sie jetzt nicht mehr verloren, in den letzten fünf Partien gab es kein Gegentor mehr. „Frankreich ist auch Weltmeiste­r im Verteidige­n“, sagte Bundestrai­ner Joachim Löw.

Und so hatte Pogba am Ende eines mehr als gelungenen Abends auch noch die Größe, Antonio Rüdiger für dessen Knabber-Angriff nicht weiter in Verlegenhe­it zu bringen. „Das war nichts Großes. Wir haben uns nach dem Spiel umarmt, das war’s“, sagte er: „Toni und ich sind Freunde.“Mama Yeo und Bruder Mathias waren mit Recht stolz auf ihren Paul.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Dominierte das Mittelfeld gegen Deutschlan­d (hinten Serge Gnabry): Paul Pogba.

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