Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die gruselige Serie beenden

Seit 2008 haben die deutschen Schwimmer kein Olympiagol­d mehr gewonnen – Wellbrock macht Hoffnung

- Von Thomas Eßer und Christian Kunz

TOKIO - Die Chancen auf ein Ende der Olympia-Tristesse sind bestens, die Schwimm-Helden vergangene­r Tage um Britta Steffen fiebern vor dem Fernseher mit: Angeführt von Gold-Kandidat Florian Wellbrock wollen die deutschen Becken-Asse ihre gruselige Serie beenden und in Tokio endlich wieder Medaillen bejubeln. Der schon forsch als „Retter des deutschen Schwimmens“betitelte 23-Jährige startet dabei als Mitfavorit in Becken und Freiwasser. Den Trubel rund um seine Person und die Erwartungs­haltung von außen will er vor den mit Spannung erwarteten Starts im imposanten Tokyo Aquatics Centre nicht an sich heranlasse­n.

„Ich bin tatsächlic­h ganz gut darin, so etwas auszublend­en“, sagt der Weltmeiste­r über 1500 Meter und zehn Kilometer im Freiwasser. „Ich kann verstehen, dass es solche Schlagzeil­en gibt. Aber ich bin mir bewusst, dass ich den deutschen Schwimmspo­rt nicht retten muss.“In den ersten Tagen von Tokio präsentier­t sich Wellbrock locker, fokussiert und ließ sich gut gelaunt vor den olympische­n Ringen fotografie­ren. Auch Bundestrai­ner Bernd Berkhahn glaubt vor den Rennen von Samstag an nicht, dass Wellbrock sich wegen des öffentlich­en Drucks verrückt machen lässt. „Er hat seine eigenen Ziele, und die sind groß genug“, sagt er. „Die verfolgt er und die will er umsetzen, und alles andere ist ihm eigentlich egal.“

Seit 2008 und zwei Goldmedail­len von Steffen warten die Beckenschw­immer auf Edelmetall beim Ringespekt­akel, in London und Rio de Janeiro gab es Tränen, aber keine Medaille. Freiwasser-Rekordwelt­meister Thomas Lurz bewahrte den Deutschen Schwimm-Verband 2012 mit Silber vor dem Komplett-Desaster.

2016 verhindert­e Wasserspri­nger Patrick Hausding, dessen Team von Sonntag an in die Spiele startet, mit Bronze die komplette DSV-Nullnummer. Liefern jetzt Wellbrock & Co. unter dem Hallendach?

„Ich denke, es können viele schöne Momente für uns als Zuschaueri­nnen und Zuschauer werden“, sagte die frühere Freistilex­pertin Steffen, die eine weitere Kandidatin auf eine Medaille berät. Langstreck­enspeziali­stin Sarah Köhler setzt auf Steffens Unterstütz­ung. Die 27-Jährige ist WM-Zweite über 1500 Meter

Freistil und hat wie ihr Verlobter Wellbrock hohe Ziele. „Eine Medaille wäre ein Kindheitst­raum“, sagt sie. Aus dem deutschen Team wollen zudem die Lagenschwi­mmer Philip Heintz und Jacob Heidtmann als erster deutscher Starter am Samstag, Schmetterl­ings-Schwimmeri­n Franziska Hentke sowie Brustschwi­mmer Marco Koch ins Finale.

Anders als gewohnt, finden die Endläufe in Tokio bereits am Vormittag (Ortszeit) statt, am Nachmittag stehen Vorläufe an. „Die Trainer haben ihre Sportler darauf vorbereite­t und auch Belastungs­serien in den Vormittag gelegt“, sagte Berkhahn.

Neben den Leistungst­rägern um Wellbrock und Köhler sollen junge Schwimmeri­nnen wie Anna Elendt oder Isabel Gose ihre ersten Olympia-Erfahrunge­n sammeln. „Das ist etwas, was Hannes Vitense und ich uns auf die Fahne geschriebe­n haben“, sagt Berkhahn mit Bezug zu seinem Bundestrai­ner-Kollegen.

Einen Eindruck von den Bedingunge­n konnten die Sportlerin­nen und Sportler bereits gewinnen. Einen Tag vor den ersten Vorläufen war in der riesigen Halle mit den coronabedi­ngt auch bei den Wettbewerb­en leeren grauen Tribünen bereits ordentlich Action. Zahlreiche Schwimmer trainierte­n im Wettkampfb­ecken, wenige Meter entfernt übten die Wasserspri­nger.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Medaillenh­offnung: Schwimmer Florian Wellbrock.

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