Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Jeden Tag umziehen
Schleppen, montieren, entrümpeln: Was Möbelpacker auf ihren Touren erleben
ÜBERLINGEN - Für den Normalbürger ist ein Umzug meist ein besonderes Ereignis – für die Mitarbeiter der Möbelspedition Maier aus Überlingen aber ist es Alltag. Täglich schleppen, montieren und transportieren sie das Hab und Gut von Privatkunden und Firmen. Es ist eine Arbeit nah am Menschen. Schließlich ist die eigene Wohnung wohl der private Rückzugsort schlechthin. Entsprechend erleben die Möbelpacker viele Schicksale – und haben jede Menge Geschichten zu erzählen.
Vom Ab- und Aufbau über den Transport bis zu Zwischenlager und Entsorgung – die Möbelspedition Maier kümmert sich in Umzugsangelegenheiten um alles. „Der Kunde braucht keinen Finger krumm machen“, sagt Lisa Maier, die bei der Firma den Innendienst verantwortet. Das Familienunternehmen gibt es seit 1983, neben dem Hauptsitz seit einigen Jahren auch mit einer Niederlassung in Friedrichshafen, die die Firma laut Maier in der nächsten Zeit weiter ausbauen will.
25 Mitarbeiter sind für die Möbelspedition im Einsatz – und die meisten von ihnen arbeiten „draußen“, wie Lisa
Maier sagt. Bei vier bis acht Umzügen, die das Unternehmen im
Schnitt pro Tag zu erledigen hat, müssen die Mitarbeiter ordentlich zupacken können. Aber nicht nur das:
„Wir haben für alles Spezialisten.
Also zum Beispiel LKW-Fahrer oder auch Monteure, die Küchen umbauen können“, sagt Maier.
Doch neben handwerklichem und technischem Geschick sowie jeder Menge Kraft in den Armen brauchen Möbelpacker noch eine weitere wichtige Fähigkeit: „Unsere Männer stoßen vor Ort auf die unterschiedlichsten Situationen. Da brauchen sie viel Einfühlungsvermögen“, erklärt Lisa Maier. Gerade ältere Menschen hätten oft eine Menge Redebedarf – und zeigten sich entsprechend dankbar, wenn die Mitarbeiter ein offenes Ohr haben. „Wir merken auf jeden Fall, dass die Menschen das Loben nicht verlernt haben“, so Maier.
Immer wieder komme es aber auch zu bösen Überraschungen. Am Gängigsten sei dabei, dass der Kunde es trotz Absprache versäumt, zu packen – was den Umzug schnell um mehrere Tage verzögern könne. Eine andere Masche betrifft vermeintliche Schäden an dem transportieren Gut: „Wir hatten schon Kunden, die uns dreist jeden Kratzer an ihrem Schrank andrehen wollten“, sagt Lisa Maier.
Ärgerliches erleben die Möbelpacker auch, wenn sie für Entrümplungen gerufen werden. Oft wird es dabei aber auch traurig: „Meistens hängt das mit Umzügen von älteren Menschen zusammen, die sich verkleinern“, sagt Lisa Maier. Diese hätten über die Jahrzehnte vieles aufgehoben – entsprechend groß sei dann beim Auszug der „Abschiedsschmerz“. Aber auch Messi-Wohnungen
hat die Möbelspedition schon ausgeräumt. „Da gibt es nichts, was man nicht sieht“, so Maier.
Ein Auftrag habe Mitarbeiter von Maier etwa in Räumlichkeiten geführt, die schon lange niemand mehr betreten hatte. Dort hatten sich zwischenzeitlich eine Menge Tauben eingenistet – und ihr Geschäft verrichtet. Keine angenehme Arbeitsumgebung – und um loslegen zu können, mussten die Möbelpacker die Tiere erst einmal mit einer Schreckschusswaffe verscheuchen. In einem anderen Fall habe eine offenbar verwirrte Frau den Mitarbeitern der Möbelspedition die Tür geöffnet – und sei dabei splitterfasernackt gewesen.
Aber Lisa Maier hat auch eine ganze Reihe Anekdoten aus dem Berufsalltag auf Lager, die durch und durch positiv sind. Zum Beispiel seien die Objekte, welche die Möbelspedition transportieren darf, oft äußerst interessant. Vom alten Feuerwehr-Oldtimer über Klaviere bis zum modernen Tiny-House sei da schon vieles dabei gewesen. „Letztens haben wir aus einer Wohnung einen riesigen Elchkopf geholt“, erzählt Maier amüsiert.
Die Möbelspedition habe außerdem einige gut betuchte Kunden, die das Unternehmen beispielsweise für Umzüge an einen Zweitwohnsitz verpflichten. „Der Auftrag von einem bekannten Rennfahrer führte uns zum Beispiel nach Mallorca. Da wurden die Mitarbeiter nach getaner Arbeit dann mit einem Pool-Aufenthalt verwöhnt“, lacht Lisa Maier.
Aktuelle Herausforderungen gebe es für das Unternehmen durch die Corona-Pandemie: „Wir haben dadurch kaum Einbußen. Aber unsere Arbeit wurde erschwert“, so Maier. Durch die Nähe zu verschiedenen Grenzen etwa habe es aufgrund von Corona-Regeln immer wieder ungewohnte Situationen gegeben. „Vergangenes Jahr zum Beispiel durften unsere Mitarbeiter in der Schweiz das Fahrzeug nicht verlassen. Wir mussten dann Partnerfirmen beauftragen, die beim Umzug am Zielort das Fahrzeug für uns wieder ausgeladen haben“, erklärt Lisa Maier.
Vor der Pandemie sei es zudem völlig normal gewesen, dass Aufträge die Möbelpacker auch mal nach Italien führt. Doch dann kam Corona – und das Land war auf einmal „Hochrisikogebiet“.
Ein weiteres akutes Thema sei die Rohstoffknappheit, die nicht nur die Baubranche, sondern inzwischen auch Umzugsunternehmen betreffe. „Die Preise von Kartonagen und Luftpolsterfolie sind massiv gestiegen“, sagt Lisa Maier. Für die Zukunft ist sie trotzdem positiv gestimmt. Das Unternehmen wachse und habe loyale Mitarbeiter. Diese könnten improvisieren und Probleme lösen. Und das ist hinsichtlich der vielen unterschiedlichen Situationen und Herausforderungen des Berufsalltags vielleicht sogar das Wichtigste.