Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Es fehlt an Klarheit
Eigentlich ist alles für einen Festtag der Demokratie angerichtet. Es gibt zahlreiche Koalitionsvarianten, alte Gewissheiten gelten nicht mehr. Die demokratischen Parteien können miteinander, die einen etwas mehr, die anderen etwas weniger. Den Willen zur Macht haben alle und Positionen, die heute beim politischen Gegner in Bausch und Bogen verdammt werden, können nach den ersten Hochrechnungen am Wahltag zu belastbaren Grundlagen für Kompromisse umdefiniert werden.
Wer seine Wahlentscheidungen trotz dieser Unwägbarkeiten mit Herz oder kühlem Verstand treffen will, der braucht dafür eine Grundlage. Jetzt wäre also die Stunde der Diskussion, der Bewertung von Argumenten, den klaren Hinweisen, was denn nun in naher Zukunft geschehen soll. Doch die Debatten zünden nicht. Sie stützen die Ansichten der ohnehin schon entschiedenen Parteigänger, aber Klarheit über die Politik in den kommenden Jahren schaffen sie nicht. Vor allem das sogenannte Fernseh-Triell zwischen den drei Bewerbern für das Kanzleramt erfüllt nicht die Erwartungen. Dieses Format hat es vor 2021 nicht gegeben und ist lediglich dem Umstand geschuldet, dass die Grünen unlängst in der Meinungsgunst ganz vorne lagen. Diese Kurzatmigkeit aufgrund täglich neuer Umfragen schadet.
Es werden oberflächlich die Phrasen aus den Schubladen der Kommunikationsprofis geholt, aber eine klare Antwort etwa auf die deutsche Außenpolitik nach dem AfghanistanDesaster gibt es nicht. Was bedeutet denn mehr europäische Zusammenarbeit oder mehr Verantwortung übernehmen? Auch die Rentenversprechen der Sozialdemokraten klingen prima, nur gehen demnächst die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Schon jetzt werden 100 Milliarden Euro vom Bund zugeschossen. Alles scheint machbar, ohne länger arbeiten oder höhere Beiträge zahlen zu müssen. Wird darüber debattiert? Nein.
Früher war nicht alles besser, auch nicht der Wahlkampf. Aber dieser Austausch von Belanglosigkeiten, der stößt dennoch sauer auf.