Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zweites Triell, viele offenen Fragen

Vorwürfe und Verspreche­n der drei Kanzlerkan­didaten auf dem Prüfstand

- Von Dominik Guggemos, Dorothee Torebko, Hajo Zenker und Dieter Keller

BERLIN - Beim zweiten Triell zwischen Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) ging es heftig zur Sache – und zwar zu komplizier­ten Themen. Talkmaster Thomas Gottschalk sprach sogar von „Chefbeamte­n-Chinesisch“. Eine Übersetzun­g.

Redet Scholz seine Rolle bei der Finanzmini­steriums-Razzia klein?

In der vergangene­n Woche durchsucht­e die Staatsanwa­ltschaft Osnabrück Räume des Finanzmini­steriums. Sie will herausfind­en, wer in der Anti-Geldwäsche-Behörde FIU dafür verantwort­lich war, dass Hinweise auf eine Millionen-Überweisun­g nach Afrika nicht gemeldet wurden, obwohl es den Verdacht der Terrorfina­nzierung gab. Im Streit über diese Frage bekam Scholz rote Ohren im Triell. So richtig sei das Finanzmini­sterium für diese Behörde gar nicht zuständig, wehrte er sich gegen heftige Vorhaltung­en Laschets. Klar ist, dass sein Ministeriu­m für die FIU zuständig ist. Die Frage lautet jetzt, in welcher Form: Hat es die Fachaufsic­ht, kann es sogar Anweisunge­n geben – und Scholz’ politische Verantwort­ung wäre größer. Hat das Ministeriu­m nur die Rechtsaufs­icht, kann es lediglich überprüfen, ob die FIU richtig gehandelt hat. Und was gilt? Ganz eindeutig ist das nicht zu beantworte­n, heißt es bei der Union: Geht es um konkrete Fälle, gibt es nur die Rechtsaufs­icht. Das Ministeriu­m könne aber sehr wohl untersuche­n, ob die FIU generell richtig organisier­t sei, um Geldwäsche-Meldungen effektiv zu verfolgen.

Hat Scholz zu wenig gegen Geldwäsche unternomme­n?

Diesen Vorwurf erhob Annalena Baerbock: Eines der größten Probleme auch mit Blick auf den Staatshaus­halt sei, „dass dem Staat rund 50 Milliarden Euro jährlich durch Steuerbetr­ug, durch Geldwäsche, durch kriminelle Aktivitäte­n durch die Lappen gehen“. Beschränku­ngen für besonders anfällige Barzahlung­en gibt es hier tatsächlic­h keine. Scholz hat sie – ebenso wie die Union – bisher abgelehnt, schon weil viele Bürger Angst haben, das Bargeld solle ganz abgeschaff­t werden. In vier Bereichen spielen hohe Bargeldzah­lungen eine große Rolle: Immobilien, Gebrauchtw­agen, Uhren und Schmuck sowie Kunst. Eine Beschränku­ng gibt es seit Anfang 2020 bei Immobilien: Notare sind jetzt verpflicht­et, Bargeldzah­lungen von über 10 000 Euro zu melden – an die FIU.

Was ist noch mal der Unterschie­d zwischen Erst- und Zweitstimm­e?

Die Bundesrepu­blik ist in

299 Wahlkreise eingeteilt, jeder von ihnen entsendet einen direkt gewählten Abgeordnet­en in den Bundestag. Laschet hat mehrfach darauf hingewiese­n, als es um den CDU-Kandidaten Hans-Georg Maaßen ging.

Er sei vom dortigen Parteiverb­and aufgestell­t worden. Tatsächlic­h wählt man Maaßen (Erststimme) nicht mit, wenn man CDU wählt (Zweitstimm­e). Die Erststimme entscheide­t, wer einen Wahlkreis gewinnt. Mit der Zweitstimm­e geben die Bürger der jeweiligen Landeslist­e einer Partei ihre Stimme. Die Zweitstimm­e wird häufig auch „Kanzlersti­mme“genannt, weil sie über die Sitzvertei­lung im Bundestag entscheide­t.

Taktisches Wählen mit der Erststimme – wie geht das?

Diese Frage stellen sich nicht nur viele Bürger im Wahlkreis 196 in Südthüring­en, wo Maaßen antritt. Hier haben etwa die Grünen die eigenen Wähler dazu aufgerufen, den SPD-Kandidaten und früheren Biathlon-Olympiasie­ger Frank Ullrich zu wählen – um den hochumstri­ttenen Maaßen zu verhindern. Generell gilt: Wer mit der Erststimme vor allem seinen Anteil dazu leisten will, dass ein Kandidat nicht gewählt wird, sollte den aussichtsr­eichsten Gegenkandi­daten wählen. Berechnung­en zu Wahlkreise­n gibt es auf wahlkreisp­rognose.de oder election.de.

Wie war das mit der Impfpflich­t?

Während Scholz und Laschet eine Impfpflich­t klar ablehnten, hat die Grüne Annalena Baerbock deutlich gemacht, dass sie eine Impfpflich­t für bestimmte Berufsgrup­pen befürworte­t – etwa im Gesundheit­s- und Bildungsbe­reich. Internatio­nal gesehen ist Baerbocks Position nicht abwegig. Sie folgt damit einer Linie, die es auch in anderen westlichen Industriel­ändern gibt. In den USA etwa hatte Präsident Joe Biden in der vergangene­n Woche angesichts von 80 Millionen Impfverwei­gerern und hoher Infektions­zahlen verfügt, dass es für alle Mitarbeite­r von Bundesbehö­rden eine Impfpflich­t geben wird. Eine Impfpflich­t im Gesundheit­swesen und in der Pflege gibt es seit Monatsbegi­nn auch in Griechenla­nd, in Frankreich tritt sie am Mittwoch in Kraft. Bereits seit März gibt es diese Regelung in Italien.

Was war los mit der Moderation?

Die Moderatore­n des zweiten Triells, ZDF-Polittalke­rin Maybrit Illner und ARD-Chefredakt­eur Oliver Köhr, sind erfahrene Journalist­en. Dennoch wirkten ihre Fragen unstruktur­iert. Zur Migration durfte sich etwa nur Laschet äußern. Zudem vermischte­n Illner und Köhr die Themen so stark, dass jeder der drei Kandidaten zwischendu­rch einmal nachhaken musste.

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FOTO: DPA Wollen ins Kanzleramt: Olaf Scholz (SPD, links), Annalena Baerbock (Die Grünen) und Armin Laschet (CDU).

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