Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Das hat sich manchmal schon unkorrekt angefühlt“
FDP-Kandidat Christian Steffen-Stiehl über Motivation, Luxus und seine Wunschkoalition
FRIEDRICHSHAFEN - Mayer-Lay, Heubuch, Hahn, Steffen-Stiehl, Weidel, Frank – ihre Konterfeis lächeln gerade an allen Ecken von Plakaten und Flyern. Doch wer sind die Menschen dahinter? Mit zehn persönlichen Fragen an die sechs Direktkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien wollen wir das herausfinden. Heute: Christian Steffen-Stiehl (FDP)
Welche Erfahrung hat Ihr Leben nachhaltig verändert?
„Schwierig zu beantworten, weil mein Leben ja doch schon ein paar Tage dauert. Aber es war wohl die Dienstzeit bei der Bundeswehr. Zwölf Jahre lang habe ich direkt mit Menschen gearbeitet, viel über Verantwortung gelernt und wie man Aufgaben anpackt, Ziele erreicht und auf Gegenwind reagiert. Bei Airbus kam dann die Erfahrung hinzu, mit verschiedenen Nationen, Kulturen und Arbeitsweisen zu arbeiten. Hier habe ich gelernt, mich anzupassen.“
Was ist der größte Luxus, den Sie sich je gegönnt haben?
„Meine Frau würde sagen: die Politik. Weil das Engagement schon viel Zeit in Anspruch nimmt. Ansonsten? Ich habe gerade die Fassade unseres Hauses und die Auffahrt renoviert. Und wir gönnen uns einmal im Jahr einen schönen Urlaub in der italienischen Provinz Lazio.“
Wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie sich gegen Corona impfen lassen?
„Da habe ich nicht groß überlegt. Ich habe gewartet, bis die Priorisierung aufgehoben worden ist und mich dann bewusst für Astra-Zeneca entschieden, weil ich hoffte, damit schneller zum
Zug zu kommen. Ich habe mich in der Wartezeit informiert und beobachtet, was so passiert bei diesem Thema. Was mich übrigens nicht nur bei der Corona-Politik, sondern auch bei der Bewältigung anderer Krisen stört: Früher wurde viel mehr improvisiert, aber man hat schon mal angefangen. Heute wird alles viel zu lange diskutiert. Auch in der Kommunikation hat man zum Beispiel Impfstoffe komplett zerredet.“
Was war Ihr Antrieb in die Politik zu gehen?
„Als Berufssoldat war ich stark abhängig von der Politik. Schließlich entscheidet das Parlament, was die
Bundeswehr zu tun hat. Es war also grundsätzliches Interesse da, Probleme lagen auch in den 90ern schon auf dem Tisch: Jugendarbeitslosigkeit, Migration, Rente, Gesundheit, Klima, Energieversorgung. Die Frage für mich war also nicht, ob, sondern wo ich mitmache. Das Programm der Liberalen kam und kommt meiner Lebenseinstellung am nächsten. Das hat auch mit meinem Lebenslauf zu tun. Ich bin Ingenieur ohne Abi und weiß, dass es auch andere Wege als den normalen gibt. Liberale definieren sich nicht über Wege, sondern über Ziele. Und setzen auf Individualität.“
In welchen Punkten liegen Sie mit Ihrer Partei über Kreuz?
„Jedenfalls nicht bei den großen Linien. In Einzelfragen passiert das immer wieder, meistens dann, wenn die FDP zu wenig Position bezieht und sich nicht abhebt von den anderen Parteien. Ich würde mir zum Beispiel mehr Profil in der Verteidigungspolitik wünschen.“
Wie sähe Ihre Wunschkoalition nach dem 26. September aus?
„Die Union ist uns bei den Entscheidungen sicher am nächsten, hat aber in den letzten Jahren zu viele Zugeständnisse an den linken Flügel gemacht. Strategisch würde ich mir Jamaika wünschen, also CDU, FDP und Grüne. In der Konstellation wäre die Energiewende mit großer Akzeptanz umzusetzen. Sind die Grünen nicht in der Regierung, werden sie Fundamentalopposition betreiben. Eine Deutschland-Koalition mit CDU und SPD? Ich glaube, den Sozialdemokraten tut eine Pause ganz gut. Und für eine Ampel mit SPD und Grünen fehlt mir die Fantasie. Bei Themen wie Rente oder Mieten wird hier keine Einigung möglich sein.“
Welche Eigenschaft von Angela Merkel hätten Sie gerne?
„Es gab eine Zeit, da habe ich ihre Gelassenheit bewundert. Zu Beginn der Amtszeit war sie sehr unaufgeregt, hat sich viel Zeit genommen für Information und dann nüchtern und sachorientiert entschieden. Diese Fähigkeiten sind ihr nach und nach abhanden gekommen.“
Was haben Sie zuletzt bei Amazon bestellt?
„Ich glaube, es war ein Film für die Kinder. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich da nichts bestelle. Ich bemühe mich aber schon, alles in der Stadt zu holen, was man hier kaufen kann. Auch bei Lebensmitteln achten wir auf Regionalität.“
Was ist das politisch Unkorrekteste, das Sie je getan haben?
„Ich war zwölf Jahre Zeitsoldat. Das hat sich in den 90ern, nach dem Wegfall des kalten Krieges, manchmal schon unkorrekt angefühlt. Und jetzt arbeite ich in der Verteidigungsbranche, auch nicht gerade der populärste Bereich.“
Wann haben Sie sich zuletzt für eine/n Politiker/in aus Ihrer Partei geschämt?
„Das war, als Wolfgang Kubicki für kurze Zeit versucht hat, die Wahl von Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten auch mit Stimmen der AfD zu verteidigen. Er ist Jurist und hat juristisch argumentiert. Politisch war das, was da passiert ist, aber vollkommen falsch.“