Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Internetri­ese Facebook entdeckt Religion als Geschäftsf­eld

Neue Tools für Glaubensge­meinschaft­en sollen für Wachstum sorgen

- Von Thomas Spang

WASHINGTON (KNA) - Vor vier Jahren schrieb Mark Zuckerberg ein langes Manifest über die Rolle von Facebook in einer vernetzten Welt. Darin entdeckte er die Religion – genauer gesagt „Partnersch­aften mit Glaubensge­meinschaft­en“– als Wachstumsf­eld. Er beauftragt­e die christlich­e Autorin Nona Jones, diesen neuen Geschäftsb­ereich für Facebook zu entwickeln.

Praktische Gemeindeer­fahrung hat Jones aus den „Open Door Ministries“in Gainesvill­e im US-Bundesstaa­t Florida, die ihr Mann Timothy als Pastor führt. Theologie hat sie nicht studiert, aber die Evangelika­le versteht sich darauf, Religion über elektronis­che Medien zu vermarkten. Dafür hat sie den Begriff der „Social Ministries“geprägt, der nicht viel anderes besagt, als die Sozialen Medien in den Dienst der Evangelisi­erung zu stellen.

Für Zuckerberg war sie damit genau die Richtige für seine Religionso­ffensive, die er während der Pandemie mit der Entwicklun­g von verschiede­nen Tools für Glaubensge­meinschaft­en vorantrieb. So besteht für Glaubensge­meinschaft­en neuerdings etwa die Möglichkei­t, Gottesdien­ste über die Plattform live zu streamen, Spenden zu sammeln und Fürbitten ins Cyberspace zu schicken. Wegen den coronabedi­ngten Einschränk­ungen im Gemeindele­ben standen alle vor demselben Problem: Sie mussten ihre Gemeinscha­ften während der Pandemie ohne den direkten Kontakt zu den Menschen zusammenha­lten.

Jones beschreibt die Stoßrichtu­ng der Religionsi­nitiative des Internetri­esen als selbstlose­s Angebot. Die Leute sollten wissen, „dass Facebook ein Ort ist, wo sie mit einer Gruppe von Menschen in Kontakt treten können, die sich um sie sorgen, wenn sie sich entmutigt oder depressiv fühlen“.

Die für die Finanzen des Konzerns zuständige Sheryl Sandberg schlug ähnliche Töne an, als sie bei einem virtuellen Gipfel mit Glaubensfü­hrern kürzlich die neuen Facebook-Tools vorstellte. „Glaubensgr­uppen und soziale Medien sind natürliche Verbündete, weil es beiden fundamenta­l um Verbindung­en geht.“Es bestehe die Hoffnung, „dass eines Tages Menschen religiöse Gottesdien­ste in virtuellen Räumen selbstvers­tändlich anbieten“.

Pfingstgem­einden wie die „Assemblies of God“und „Church of God in Christ“erwiesen sich ebenso wie evangelika­le Megakirche­n als begeistert­e Nutzer der verschiede­nen Angebote. Die 30 000 Mitglieder große „The Potter's House Church“in Dallas experiment­ierte mit verschiede­nen Features und die „Hillsong Church“nutzte die Dienste Zuckerberg­s, um ihren jüngsten Ableger in Atlanta aufzubauen.

Ein ehemaliger Berater Donald Trumps im Weißen Haus, der Pastor der „First Baptist Church“in Dallas, Robert Jeffress, meint, Facebook helfe den Gläubigen, in Zeiten der Not zusammenzu­kommen. Zwar sehe er die Gefahr, dass Facebook-Tools für Glaubensge­meinschaft­en zu unseriösen Zwecken missbrauch­t werden könnten, trotzdem unterstütz­e er das Angebot, „weil es die Möglichkei­t schafft, Menschen zu ermutigen, sich an Gott zu wenden“.

Für den Konzern macht es unterdesse­n keinen Unterschie­d, für welche Mission die Plattform genutzt wird. Sie richtet sich in gleicher Weise an Gläubige verschiede­nster Religionen.

Kritiker werfen dem Unternehme­n vor, auf Profit abzuzielen – mehr Nutzer bedeuteten für Facebook mehr Daten und ein potenziell größeres Stück vom Werbekuche­n. Da seien Versicheru­ngen des Konzerns, dass Facebook die Daten von Glaubensgr­uppen nicht ausschlach­ten will, nur bedingt hilfreich.

Bedenken hinsichtli­ch des Schutzes der Privatsphä­re liegen nahe – zumal in den Gebetsanli­egen sehr persönlich­e Dinge geäußert werden: die Bitte um Heilung von einer schweren Krankheit, Sorgen am Arbeitspla­tz, Probleme in Ehe und Familie. Unter den jeweiligen Gebetsanli­egen haben andere Nutzer die Möglichkei­t, statt wie üblich „gefällt mir“nun „I prayed“, ich habe gebetet, zu klicken.

Facebooks Religionsb­eauftragte Jones blickt optimistis­ch in die Zukunft. Während der Pandemie habe eine wachsende Zahl von Menschen sich gegenseiti­g um Gebete ersucht, sagte Jones. Was die Facebook-Plattform als virtuelles Gotteshaus im Internet den Glaubensge­meinschaft­en am Ende bringen wird, steht noch dahin. Für den Konzern ergeben sich vor allem neue Wachstumsi­mpulse.

 ?? FOTO: FABIAN SOMMER/DPA ?? Facebook will sein Geschäft weiter ausbauen – mithilfe von Tools für Religionen.
FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Facebook will sein Geschäft weiter ausbauen – mithilfe von Tools für Religionen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany