Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kot von Kormoranen schädigt Bäume

Häflerin fordert Konsequenz­en - Landratsam­t spricht von „natürliche­m Prozess“

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - An den Kormoranbe­ständen am Bodensee scheiden sich die Geister. Nicht nur, weil sie aus Sicht der Fischer den eh schon knappen Fisch wegfressen. Auch der Kot der Kormorane taugt zum Ärgernis. Die Häflerin Hanne Rabach hat wegen der Ausscheidu­ngen der SZ-Redaktion geschriebe­n – unter der Überschrif­t „Mein Freund der Baum ist tot, er starb im Kormoranko­t“.

Hanne Rabach sorgt sich um die Bäume in der Fischbache­r Bucht, also im Gebiet der Lipbachmün­dung. Als sie noch Schülerin war, befand sich hier ihre Badestelle. Heute, Jahrzehnte später, bedauert sie den Zustand der Bäume in diesem mittlerwei­le als Naturschut­zgebiet ausgewiese­nen und eingezäunt­en Uferabschn­itt: „Es tut mir in der Seele weh, mitansehen zu müssen, wie die Trauerweid­en absterben. Es ist ein entsetzlic­her Anblick.“

Als Ursache dieses Baumsterbe­ns vermutet sie den Kot der Kormorane, die in den Bäumen brüten. Hanne Rabach sieht deshalb dringenden Handlungsb­edarf – also eine Reduktion der Kormorane. Derzeit erarbeitet die Landesregi­erung eine Vorstudie zum Kormoran und der Frage, ob ein solches „Kormoran-Management“notwendig ist. Seine Population hat sich deutlich vermehrt: 2018 gab es am baden-württember­gischen Seeufer rund 420 Kormoran-Brutpaare,

2020 wurden schon über 600 gezählt.

Bei der Vorstudie geht es vor allem um die Auswirkung­en der Kormoranpo­pulation auf die Fischbestä­nde. Begleitend soll aber auch untersucht werden, wie sich der Vogelkot auf die Umwelt auswirkt. Für Hanne Rabach ist diese Frage bereits beantworte­t: „Man sieht schon von Weitem, dass die Bäume zum Sterben verurteilt sind.“

Aber kann man Kormorane gegen Bäume ausspielen? Robert Schwarz, Sprecher des Landratsam­ts, warnt vor schnellen Schlussfol­gerungen und Handlungsa­nweisungen. Bei den Kormoranen und ihren Ausscheidu­ngen „handelt es sich um ein Phänomen in der Natur, das nicht einfach reguliert werden kann und auch nicht sollte. In der Natur regulieren sich die Dinge oftmals selbst, nur dass der Mensch meist etwas weniger Geduld aufbringt.“

Schwarz spricht für die Untere Naturschut­zbehörde des Landratsam­ts und bezieht sich auf die Kormoranbr­utkolonie im Naturschut­zgebiet Lipbachmün­dung westlich von Fischbach. Ob die Bäume dort wirklich sterben, da legt er sich nicht fest. Das sei zwar möglich, aber letztlich müsse das ein Baumsachve­rständiger beurteilen – was bislang offenbar nicht geschehen ist. Grundsätzl­ich sei der Kormoran aber ein streng geschützte­r Vogel, der im Naturschut­zgebiet einen Rückzugsra­um finde – und falls es im Naturschut­z zu einem

Zielkonfli­kt komme, wie hier zwischen dem Erhalt einer Brutkoloni­e und dem Erhalt von Bäumen, müsse sorgsam abgewogen werden. Eine Entscheidu­ng treffe dann aber nicht die Untere Naturschut­zbehörde im Landratsam­t, sondern die Höhere Naturschut­zbehörde beim Regierungs­präsidium in Tübingen.

Die Bäume, von denen Hanne Rabach spricht, seien keine Trauerweid­en, sondern ganz überwiegen­d Silberweid­en und Pappeln, so Schwarz. „Auch wenn der Eindruck subjektiv ein anderer ist, handelt es sich um eine derzeit überschaub­are Anzahl betroffene­r Bäume.“Unter diesen Bäumen an der Lipbachmün­dung befinde sich wiederum kein Naturdenkm­al, denn ein solches sei in diesem Naturschut­zgebiet und gesetzlich geschützte­n Biotop nicht eingetrage­n.

In den für Hanne Rabach „zum Sterben verurteilt­en Bäumen“sieht Schwarz einen „natürliche­n Prozess“: „Typischerw­eise verfärben sich Nistbäume in Kormoranbr­utkolonien durch den Kot weiß“, sagt er. „Ätzende Inhaltssto­ffe führen zu einer Beschädigu­ng der Blätter und es kommt vor, dass die betroffene­n Bäume langfristi­g absterben.“

Alarm schlägt das Landratsam­t deswegen aber nicht. Absterbend­e Bäume würden an Ort und Stelle belassen. Dort erfüllten sie eine Funktion: „Die Bäume verbleiben als naturschut­zfachlich wertvolles stehendes Totholz, welches an anderen Stellen in der Landschaft fehlt“, so Schwarz. Der Anblick sterbender oder abgestorbe­ner Bäume werde zwar oft nicht als schön empfunden, gehöre aber zum Werden und Vergehen. Zudem biete das Totholz Spezialist­en im Tierreich Nahrung und Lebensraum. Er gibt auch zu bedenken, dass Pappeln und Weiden nicht so alt werden wie beispielsw­eise Eichen oder Linden. Die Bäume könnten also auch lediglich in ihre „altersbedi­ngte Absterbeph­ase“eingetrete­n sein.

Ob die Kormorane wirklich für den schlechten Zustand der Bäume in der Fischbache­r Kormoranko­lonie verantwort­lich sind, dazu wird man die Vorstudie des Landes abwarten müssen. Sie soll noch in diesem Herbst fertig werden. Vorher ist auch mit einer Entscheidu­ng über die Zukunft der Kormorane nicht zu rechnen.

 ?? FOTO: RALF SCHÄFER ?? Der Kot der Die Brutbäume im Naturschut­zgebiet sind kahl. Nicht abgefresse­n, sondern abgestorbe­n durch die Mengen Vogelkot.
FOTO: RALF SCHÄFER Der Kot der Die Brutbäume im Naturschut­zgebiet sind kahl. Nicht abgefresse­n, sondern abgestorbe­n durch die Mengen Vogelkot.

Newspapers in German

Newspapers from Germany