Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kein Messi und viele Probleme
Vor etwa einem Jahr ging Barcelona gegen den FC Bayern mit 2:8 unter – Das Desaster könnte sich wiederholen
BARCELONA - Das „W“steht für Wow beziehungsweise den Wow-Effekt, den man als Gast im chicen Fünf-Sterne Hotel in Barcelona erfährt. Da hat sich die Bayern-Delegation für ihren Trip in die katalanische Metropole zum Auftaktspiel in der Champions-League-Gruppenphase beim FC Barcelona (21 Uhr/Amazon Prime live) eine exquisite Bleibe gesucht. Wie ein Segel aus Glas thront das „W Barcelona“unweit des alten Hafens am letzten Zipfel des Stadtteils La Barceloneta, direkt am Meer. Mehr Blick geht nicht, etwa im Club Eclipse in der 26. Etage – mit Panoramafenstern bis zum Boden.
Dort war der FC Barcelona am 14. August 2020, als er vom FC Bayern München mit 8:2 überfahren wurde. Eine historische Schmach für den so stolzen Club (Slogan: Mehr als ein Club) der so stolzen Katalanen – mehr als eine Klatsche. Für die Münchner war es der erste von drei Schritten zum Gewinn des Henkelpotts im coronabedingt ausgetragenen Final-8-Turnier von Lissabon. „Solche Spiele vergisst man natürlich nicht“, sagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer. Trainer Julian Nagelsmann meinte vor seinem Europacup-Debüt mit Bayern: „Die Spieler haben Lust den Titel wieder – bei mir muss es heißen: mal – zu gewinnen.“Acht Gründe sprechen für einen deutlichen Auftaktsieg.
1. Barça ist des Müllers LustGegner: Sechs Treffer erzielte der 2014er-Weltmeister in fünf Champions-League-Partien gegen die Katalanen, mehr als jeder andere Spieler in diesem Wettbewerb gegen Barça.
2. Bayerns Freude in der Fremde: Seit 18 Spielen sind die Münchner in der Königsklasse ungeschlagen (14 Siege, vier Remis). Der letzte Auswärtsauftritt im April brachte jedoch trotz des 1:0 bei Paris St. Germain eine riesige Enttäuschung. Nach dem 2:3 im Viertelfinal-Hinspiel von München waren die Mannen von Hansi Flick ausgeschieden.
3. Das Fehlen von Messi: Nach 21 (!) Jahren wechselte der Argentinier im August von seinem Herzensclub zu PSG. Der Beste ist weg. „Ich weiß nicht, ob er ihnen fehlt“, meinte Müller, der „Barcelona aktuell überhaupt nicht einschätzen“könne. Messis 682 Tore und 35 Titel sagen alles.
4. Die erkaltete Fanliebe: Messis
Abschied vom überschuldeten Chaos-Club (rund 1,3 Milliarden Euro
Miese) schockte die Anhänger. Bisher bestellten nicht einmal 35 000 der 57 000 Dauerkarten-Inhaber ein Ticket für das Duell mit Bayern. 26 000 der 83 000 Mitglieder mit einer Saisonkarte ließen ihr Abo einfrieren. In der riesigen Arena Camp Nou werden lediglich 40 000 Heimfans (maximal zulässige Kapazität angesichts der örtlichen CoronaAuflagen) erwartet. Gästefans erhielten keine Tickets – offiziell.
5. Jamal, der „Magier“Musiala: Der 18-Jährige war der Matchwinner (ein Tor, eine Vorlage nach Einwechslung) beim 4:1 in Leipzig, befindet sich in der Form seines noch so jungen Lebens. Gut möglich, dass der Deutsch-Brite auf einer der Flügelpositionen beginnen darf. Kingsley Coman und Serge Gnabry sind angeschlagen, daher fraglich. Die Angreifer fliegen mit, ob sie in den Kader rutschen, entscheidet ein Test am Spieltag, so Nagelsmann. Toptorjäger Robert Lewandowski ist fit.
6. Barça mit Not-Sturm: Was waren das noch für Zeiten, als neben Messi Antoine Griezmann (zurück zu Atlético Madrid) und Luis Suárez (seit einem Jahr ebenfalls bei Atlético) wirbelten und Tore am Fließband erzielten. Aktuell fehlen die Angreifer Sergio Agüero, Ousmane Dembélé, Martin Braithwaite und Supertalent Ansu Fati. Im Not-Sturm laufen die Neuzugänge Memphis Depay und Luuk de Jong sowie Philippe Coutinho (2019/20 an Bayern ausgeliehen) auf – de Jong hat bisher nur trainiert, Coutinho keinerlei Spielpraxis.
7. Koeman-Team ohne Rhythmus, ohne Praxis: Das letzte LigaSpiel in der Primera División bestritt die Elf von Coach Ronald Koeman vor mehr als zwei Wochen (2:1 gegen Getafe), weil die Partie beim FC Sevilla am Wochenende wegen der verspäteten Rückkehr zahlreicher Südamerika-Legionäre verschoben wurde. Neuer: „Manchmal ist es besser, wenn man im Rhythmus ist. Uns taugen die englischen Wochen.“Mit dem souveränen 4:1 bei RB hat man frisches Selbstvertrauen getankt.
Auftaktlust: Die Münchner haben die letzten 17 Eröffnungsspiele der Gruppenphase sämtlich gewonnen, dabei sagenhafte 42:2 Tore erzielt. Fortsetzung im Camp Nou? „Eine Gruppenphase in der Champions League ist kein Marathon wie eine Bundesliga-Saison, aber wie ein 200- oder 400m-Lauf“, sagte Nagelsmann, „auch da muss man gut aus den Startblöcken kommen.“
8 Bayerns