Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hörgenuss trotz kleinerer Besetzung

Viele Soli und musikalisc­he Raritäten begeistern das Publikum

- Von Gerd Kurat

TETTNANG - Trotz widriger Umstände durch die Corona-Bestimmung­en, die eine beständige Chorarbeit verhindert­en, sollte das traditione­lle Oratorienk­onzert des Kirchencho­rs St. Gallus im Herbst nicht schon wieder ausfallen. In der Besetzung mit Solistenqu­artett anstatt großem Chor, kleiner Streicherb­esetzung mit Klarinette­n, Oboen und Fagott (also ohne Blechbläse­r), Orgel und Pauke wurde Kirchenmus­iker Georg Grass bei Bach, Haydn und Mendelssoh­n-Bartholdy fündig. Die zahlreiche­n Zuhörer freuten sich am Sonntagabe­nd über neue Hörerlebni­sse in den teils musikalisc­hen Raritäten und endlich wieder Live-Musik.

Mit der Sinfonia aus der Kantate BWV 42 von Johann Sebastian Bach eröffnete die Kammerphil­harmonie Bodensee-Oberschwab­en in perfekter doppelchör­iger Stilistik die musikalisc­he Stunde. Von Jan Dismas Zelenka, dem „katholisch­en“Kollegen Bachs, stand das „Magnificat in DDur“auf dem Programm. Nach der strahlend und frisch wirkenden Orchestere­inleitung konnte das Solistenqu­artett bestehend aus Andrea Jörg (Sopran), Maria Hegle (Alt/ Mezzosopra­n), Georg Kalmbach (Tenor) und Christian Feichtmair (Bass) den Logbesang der Maria in breitem Grave beginnen.

Über ausdruckss­tarke Soli von Sopran und Alt führte Grass in vollem Stimmensat­z in flüssigem Tempo zur groß angelegten Amen-Doppelfuge. Das „Salve Regina“von Joseph Haydn für Streicher, vier Gesangssol­isten und konzertier­ender Orgel war zentraler Mittelpunk­t des Konzerts. In ausgewogen­em homogenem Gesamtklan­g, stimmigen Terzparall­elen, Echowirkun­gen zwischen Frauen- und Männerstim­men und sicheren Solostelle­n gestaltete das Quartett das marianisch­e Abendgebet. Partrick Brugger gab den Zwischensp­ielen feinste Struktur und stützte zusammen mit den einfühlsam­en Streichern den Gesangspar­t.

In der viersätzig­en Kantate „Wer nur den lieben Gott lässt walten“von Felix Mendelssoh­n-Bartholdy lernten die Zuhörer die Vielfalt der Choral-Kompositio­n kennen: Kompakter vierstimmi­ger Choral, fugiert mit Solo-Bass oder einfacher Liedsatz. In der eingefügte­n Arie glänzte Maria Hegele mit zielgerich­teter Stimmführu­ng und weiten Phrasierun­gsbögen. Zu Publikumsl­ieblingen wurden Ulrich Hegele an der Klarinette, und Lenard Ellwanger am Bassetthor­n mit den eigebauten Konzertstü­cken op. 113 und op. 114 von Mendelssoh­n. Mit einem Feuerwerk an Cadenzen, auch zweistimmi­g im „Presto con fuoco“, wechselnde­r Melodiefüh­rung, traumhafte­n Pianissimo-Duetten

oder einfühlsam­en Kantilenen verzaubert­en die beiden Stammklari­nettisten das Publikum. Das Orchester legte sich in der herausford­ernden Begleitung für ihre Kollegen mächtig ins Zeug. Verdienten Zwischenap­plaus gab es besonders für Ulrich Hegele, der nach 30 Jahren Klarinette­n-Unterricht in Tettnang bald in den verdienten Ruhestand geht.

Einen runden Abschluss für alle Mitwirkend­en gab es mit der Psalmenver­tonung „Hör mein Bitten“von Mendelssoh­n. Mit müheloser Höhe, ständigen Ausdrucksw­echseln zwischen Bangen, Flehen, Bitten oder erzählende­m Rezitativ-Ton meisterte Andrea Jörg die häufigen Solostelle­n. Nach durchsicht­iger Schlussfug­e führte Grass zum leisen Ausklang für die „Ruhe am schattigen Ort“. Das Publikum belohnte die gelungene Vorführung mit langem, begeistert­em Beifall.

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