Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Flucht und Klima bedingen einander
Während in Glasgow die Staaten um den Schutz der Erde vor allzu großer Erhitzung ringen, frieren an der Grenze zwischen Belarus und Polen Tausende Flüchtlinge im Wald. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Sehr viel. Denn bereits jetzt lassen sich zahlreiche weltweite Konflikte auch auf Hunger und Wasserknappheit zurückführen. Das trifft beispielsweise für Syrien zu. Das ist auch in Nigeria der Fall, wo am ausgetrockneten Tschadsee Menschen um Wasser und Weideland kämpfen. Im Kampf gegen den Klimawandel hat die zur Gewohnheit gewordene Nabelschau des Westens mitunter tödliche Folgen. Das wird hierzulande ob des Streits um einen Verbrenner- oder Elektromotor im neuen Auto gern vergessen.
Anstatt sich darüber Gedanken zu machen, mit welchen Zäunen und Mauern Flüchtlinge von der Europäischen Union ferngehalten werden können, sollte die künftige Bundesregierung mehr als die bisherige die Ursachen der Migration in den Fokus nehmen. Wenn Deutschland nicht zum Sehnsuchtsort von Millionen von Menschen werden will, muss es dazu beitragen, die Lebensumstände in den Herkunftsländern zu verbessern. Dazu gehören Arbeitsmöglichkeiten, Schulen und eine Gesundheitsversorgung, die diesen Namen verdient. „Etwas Besseres als den Tod findest du allemal“, sagen die Tiere im Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“. Das gilt auch für Menschen.
Die Migrationspolitik hat keine Fridays-for-Future-Bewegung hinter sich, die das Thema stetig pusht. Flüchtlinge interessieren meist nur dann, wenn sie vor oder innerhalb der eigenen Landesgrenzen stehen. Wegen des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko ist es nun wieder verstärkt so weit. Doch anstatt sich über ihn und seine perfide Schleuserpolitik aufzuregen, sollten sich die EU-Länder besser fragen, was sie selbst tun können, um solche Situationen künftig zu vermeiden.
Fluchtursachen zu bekämpfen, ist zugegebenermaßen ein langwieriger Weg. Eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik zu finden, wäre schneller möglich, wenn manche EUStaaten nicht so egoistisch wären.