Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mit Booster und Tests gegen die vierte Corona-Welle

Was Experten und Politiker planen, um die Rekord-Infektions­zahlen in den Griff zu bekommen

- Von Hajo Zenker

BERLIN - Noch immer sind fast 16 Millionen Erwachsene in Deutschlan­d gegen Corona nicht geimpft. Unter ihnen grassiert das Virus. Die Gesundheit­sämter meldeten 33 949 Neuinfekti­onen binnen eines Tages so viele wie bisher noch nie in der Pandemie. Gleichzeit­ig steigt aber auch die Zahl der Geimpften, die sich infizieren und das Virus weitertrag­en. Die Politik berät, wie es weitergehe­n soll.

Was ist zu tun?

Für Professor Leif Erik Sander, Chef der Impfstoff-Forschung an der Berliner Charité, heißt eine Lösung Auffrischu­ngsimpfung. Er verweist auf eine Studie aus Israel. Nach der gab es bei Menschen über 60 Jahren, die nur zwei Dosen bekamen, zehnmal mehr Infektione­n als bei denjenigen in dieser Altersklas­se, die den Booster erhalten hatten. Zudem seien bei zweifach Geimpften 20-mal häufiger schwere Krankheits­verläufe aufgetrete­n als bei denen mit dreifachem Impfschutz. Nach viel Streit zwischen Ärzteschaf­t und Politik um das Thema gab es am Donnerstag nun eine Einigung: Noch-Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) und Vertreter der Ärzteverbä­nde haben sich darauf verständig­t, dass der Booster allen Geimpften angeboten werden soll, die vor sechs Monaten ihre Impfserie abgeschlos­sen haben. Insbesonde­re sollten aber Ältere, medizinisc­hes Personal und Menschen mit Immunschwä­che eine weitere Dosis erhalten.

Wie ansteckend sind denn vollständi­g Geimpfte?

Das ist noch unklar. Dass Geimpfte fast immer vor schweren Erkrankung­en geschützt sind, scheint unstrittig. Zudem werden Infektione­n laut Robert-Koch-Institut (RKI) „in einem erhebliche­n Maße“verhindert.

Trotzdem können sich per Vakzin Immunisier­te anstecken und das Virus, gerade bei der Delta-Variante, weiterverb­reiten – in welchem Maße, ist noch unklar. Die US-amerikanis­che Seuchensch­utzbehörde CDC jedenfalls empfiehlt Geimpften, Masken zu tragen, weil sie bei einer Infektion ebenso hohe Viruskonze­ntrationen im Rachen hätten wie Ungeimpfte. Auch eine Studie der britischen Universitä­t Oxford kam zu dem Ergebnis, dass Geimpfte drei Monate nach ihrer zweiten Impfdosis

bei einer Infektion mit der DeltaVaria­nte genauso ansteckend seien wie Ungeimpfte – auch wenn die Geimpften zumeist keine oder sehr milde Symptome zeigen.

Hat das Konsequenz­en?

In der Politik, etwa in Berlin, wird erwogen, Großverans­taltungen nur noch als 2G-Plus zu genehmigen. Was bedeutet: Teilnahme nur für Geimpfte und Genesene – aber nur nach einem aktuellen Test. Nach dem Auslaufen der kostenlose­n Bürgertest im Oktober ist aber bisher unklar, ob die Kosten dafür von den Veranstalt­ern oder erneut vom Staat übernommen werden sollen. Das müssen Bund und Länder noch klären.

Wie steht es um Ungeimpfte?

Die müssen mit immer mehr Einschränk­ungen rechnen. In mehreren Bundesländ­ern, etwa in Hamburg, sind diverse kulturelle, gastronomi­sche oder sportliche Angebote nur noch für Geimpfte und Genesene. Sachsen will großflächi­g auf 2G umstellen. In Baden-Württember­g können die Veranstalt­er mit 2G arbeiten – oder mit 3G-Plus, dann dürfen Ungeimpfte Theater, Kinos oder Restaurant­s nur noch mit negativem PCR-Test besuchen – und müssen diesen auch selbst bezahlen, was zwischen 50 und 200 Euro kosten kann.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D In vielen Bundesländ­ern gelten wegen steigender Inzidenzen wieder strengere Corona-Maßnahmen.

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