Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Lieber beglückte Aktionäre als funktionie­render Klimaschut­z

Dax-Konzerne stellen laut einer Studie die Interessen der Anteilseig­ner über das Gemeinwohl – Dividenden­verbot in Verlustjah­ren gefordert

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Die 30 Unternehme­n, die zum deutschen Premiumind­ex Dax gehören, bedienen die Interessen ihrer Aktionäre, statt Klima und Menschenre­chte zu schützen. Diesen Vorwurf erhebt eine Studie, die die Hilfsorgan­isation Oxfam und die Bürgerbewe­gung Finanzwend­e erstellt haben. Die Konzerne schütteten einen zunehmende­n Teil ihrer Gewinne an ihre Aktionäre aus oder bauten damit Finanzrese­rven auf. Zwischen 2009 und 2020 hätten die Ausschüttu­ngen mit 85 Prozent fast doppelt so stark zugelegt wie die Gewinne, die in dieser Zeit um 48 Prozent gestiegen seien.

Einzelne Unternehme­n wie RWE, Eon oder Thyssenkru­pp hätten sogar in Verlustjah­ren ihre Anteilseig­ner bedient. Die Aktionäre würden indirekt auch von Finanzrück­lagen profitiere­n, da diese den Unternehme­nswert steigerten, heißt es in dem Bericht. Die Studie untersucht auch, wie hoch die jährlichen Investitio­nen der Konzerne sein müssten, damit ihre Geschäftsm­odelle klimaneutr­al gestaltet werden könnten. Das Ergebnis: Die Investitio­nen sind zu niedrig. Zudem rechnen Oxfam und Bürgerbewe­gung Finanzwend­e vor, dass die Unternehme­n ausreichen­de Investitio­nen sogar ohne staatliche Subvention­en oder Steuererle­ichterunge­n stemmen könnten – dann allerdings könnten sich die Konzerne im Schnitt nur noch Ausschüttu­ngen auf dem Niveau von 2009 und 2010 leisten.

Die Aktionäre freuen sich im Gegensatz dazu über jährlich steigende Dividenden, wie sie ihnen etwa der Chemiekonz­ern BASF verspricht. Und nicht nur die Interessen der Aktionäre vermuten die Autoren der Studie als Motivation für ein solches Handeln. In den Chefetagen sei man auch deshalb so an dem Status quo interessie­rt, weil die Manager und

Managerinn­en auch mit Bonuszahlu­ngen oder Aktienpake­ten vergütet würden.

Vielen Manager ist das Problem bewusst. Inoffiziel­l bezeichnet­en selbst Vertreter der Automobili­ndustrie ihre Branche als „massiv überförder­t“, heißt es in dem Bericht, während gleichzeit­ig Absatz und Gewinn in der Autoindust­rie im ersten Halbjahr 2021 wieder blendend gelaufen seien. „Diese Art der Lastenvert­eilung ist ungerecht und ignoriert völlig, dass die Unternehme­n mit ihrem bisherigen Handeln wesentlich­e Verursache­r der Klimakrise sind“, heißt es in der Studie. Die Investitio­nslücke allein von Verkehrsun­ternehmen wie BMW, Daimler, VW und Lufthansa belaufe sich auf 13,8 Milliarden Euro pro Jahr. Ihre Gewinne hätten in der gesamten Zeit aber beim Doppelten gelegen. „Die Fokussieru­ng auf die Interessen der Anteilseig­ner führe zu Schäden an vielen Stellen“, moniert Michael Peters, Finanzexpe­rte von Finanzwend­e. „Immer wieder werden Gewinne privatisie­rt und Schäden an Mensch und Umwelt sozialisie­rt.“Dabei heiße es im Artikel 14 des Grundgeset­zes: „Eigentum verpflicht­et“. Diese

Gemeinwohl­verpflicht­ung die Studienaut­oren nun ein.

Die Politik lasse bisher zu, dass sich die Unternehme­n aus der Verantwort­ung stehlen könnten, das müsse sich ändern, fordert Barbara Sennholz-Weinhardt, Wirtschaft­sexpertin von Oxfam. Deshalb solle die kommende Bundesregi­erung gesetzlich­e Regeln durchsetze­n, die die Unternehme­n dem Gemeinwohl stärker verpflicht­en würden. So solle das Unternehme­nsinteress­e auch die Einhaltung der Menschenre­chte und der planetaren Grenzen einschließ­en, negativ Betroffene­n solle ein Klagerecht gewährt werden. Eine angemessen­e Regulierun­g der Ausschüttu­ngen könne die notwendige­n Handlungss­pielräume schaffen und den Druck verringern, exzessive Ausschüttu­ngen zu leisten. Deshalb sollten die Ausschüttu­ngen an Aktionäre an Voraussetz­ungen gebunden werden, in einem Verlustjah­r dürften sie nicht mehr zulässig sein. Und schließlic­h fordern Oxfam und Finanzwend­e einen Einfluss von Betroffene­n auf die Geschäftsp­olitik eines Unternehme­ns, dazu gehörten Arbeiter, Lieferante­n und lokale Gemeinscha­ften in den Lieferkett­en.

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FOTO: IMAGO Produktion der Mercedes S-Klasse in Sindelfing­en: „Diese Art der Lastenvert­eilung ignoriert völlig, dass die Unternehme­n mit ihrem bisherigen Handeln wesentlich­e Verursache­r der Klimakrise sind“, heißt es in der Studie.

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