Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Eintauchen in die neue Welt des Weins
Ein einzigartiges Kulturzentrum soll dafür sorgen, dass sich die jährliche Besucherzahl in Porto fast verdoppelt
Jetzt ist Adrian Bridge so richtig in Fahrt gekommen – und fragt deshalb vorsichtshalber mal nach, ob einen das auch wirklich interessiert, was er da erzählt? Seit einer guten Stunde redet sich der 58Jährige den Mund fusslig bei der Präsentation seines liebsten Hobbies, dem Sammeln von Trinkgefäßen aus uralten und weniger weit zurückliegenden Zeiten. Bridge erzählt von Krügen, Gläsern und Karaffen aus aller Welt und stellt die Exponate in den politischen und kulturellen Kontext. „Die Bridge Sammlung: 9000 Jahre Trinken“heißt das Museum, das aus dieser Leidenschaft hervorgegangen ist. Mehr als 2000 Ausstellungsstücke hat Bridge in den vergangenen zwei Jahrzehnten zusammengetragen. Muss eine ordentliche Stange Geld gekostet haben? Über diese Zahlen mag er nicht reden, „schon wegen meiner Frau“. Nur so viel: „Es sind Millionen“.
Die prächtige Trinkgefäßsammlung könnte keinen besseren Standort haben als Porto, Stadt des weltberühmten Portweins und Zentrum der portugiesischen Weinszene. Gleiches gilt für etliche weitere Ausstellungen in einem Projekt, das seinesgleichen suchen dürfte auf der Welt: die „World of Wine“(WOW). Sieben Museen und zwölf Restaurants, Bars und Cafés bietet das 300 000 Quadratmeter große Kultur- und Touristenzentrum, aus der Erde gestampft vom Konsortium „The Fladgate Partnership (TFP)“, unter dessen Dach Portweinmarken wie Taylors oder Fonseca firmieren. Adrian Bridge ist der CEO, der Geschäftsführer der TFP.
Was auch die anderen Museen zu den Themen Wein, Kork, Schokolade, moderne Kunst, Mode und Geschichte Portos nicht verraten, ist, dass es sich bei dieser „Welt des Weins“in Wahrheit um das größte Amphitheater der Welt handelt. Von neun Metern über Meeresspiegel geht es hoch auf 42 Meter. In anderen Destinationen werden die Touristen mit Bussen auf Hügel transportiert, um aus der Ferne für eine Viertelstunde einen Blick auf das große Ganze werfen zu können. In Porto überquert man einfach mit dem Rivertaxi
den Douro in die gegenüberliegende Nachbarstadt Vila Nova de Gaia und steigt dort ein paar Treppen hoch. Von den vielen Restaurants der „World of Wine“mit ihren Terrassen und Glasfassaden hat man einen spektakulären Blick auf die „Ribeira“, die am Nordufer gelegene historische Altstadt von Porto, die sich am Gegenhang ebenfalls in ähnliche Höhen emporreckt bis zum höchsten Punkt mit der imposanten Kathedrale Sé. So kann man bei einem Glas Wein und erstklassiger Verpflegung stundenlang das großartige Panorama dieser zauberhaften Stadt auf sich wirken lassen – auch ohne Zimmerbuchung für die Logenplätze dieses ganz speziellen Theaters im Fünf-Sterne-Hotel „The Yeatman“.
Eben mit dieser Luxusherberge hat alles angefangen in Vila Nova de Gaia. Nachdem die Stadtverwaltung 2006 einen Strategieplan zur Entwicklung des Douro-Südufers veröffentlicht, bei der Verteilung von EUGeldern
im Wettstreit mit Porto allerdings den Kürzeren gezogen hatte, entschied sich die Fladgate Partnership zum Alleingang und startete die Planung des „Yeatman“. Als 2008 die Weltwirtschaftskrise zuschlug und Portugal riesige Finanzprobleme bekam, erwies sich Bridges’ TFP als gut aufgestellt. So musste zwar der Stadtentwicklungsplan zurückgestellt werden, aber „The Yeatman“wurde 2010 fertiggestellt. Allen Unkenrufen zum Trotz erwies sich das umstrittene Projekt als genialer Schachzug, der fantastische Ausblick auf das mit EU-Geld neu erstrahlende Porto tat seine Wirkung. Zum Erfolg des Hotels entscheidend beitrugen dabei die um die Welt gehenden Fotos vom Swimmingpool mit dem Stadtpanorama im Hintergrund. Die Bilder brannten machten Porto zu einem der Instagram-Traumziele.
Dass der optische Hochgenuss nicht nur betuchten Hotelgästen vorbehalten blieb, ist auch der Historie der Handelsstadt geschuldet. Bereits im achten Jahrhundert vor Christus gab es die erste Siedlung am Douro, und Wein spielte lange vor den Römern eine Rolle. Die Engländer machten Porto reich, weil sich der Portwein auf der Insel großer Beliebtheit erfreute. Schon 1654 ließen sich die ersten britischen Weinhändler in Porto nieder, errichteten später die Lagerhäuser zur Reifung des Portweins in Vila Nova de Gaia. Eben diese lang gestreckten „Warehouses“verschafften TFP die Gelegenheit, das Jahrhundertprojekt „World of Wine“zu verwirklichen. Weil die Weingüter den Port inzwischen nahe der Weinberge in hochmodernen Kellern lagern, stand ein Riesenareal zur Verfügung, um Touristen neue Angebote zu machen.
Das war dringend geboten, denn Porto hatte zwar Sehenswürdigkeiten zu bieten wie den Bischofspalast, den Torre dos Clérigos, mit 76 Metern Portugals höchster Kirchturm, den Bahnhof Sao Bento mit seinen typischen blau-weißen arabischen Kacheln oder die eiserne DouroBrücke Dom Luis I im Stil des Eiffelturms, aber so gut wie keine Museen. Jetzt schon: Das mit 50 Prozent aus EU-Geldern erstellte 100-MillionenProjekt eröffnet der Stadt ganz neue Möglichkeiten, auch in den Wintermonaten, wenn die nahe gelegenen Traumstrände am Atlantik kein Lockmittel sind. Bridge und seine Mannschaft haben sich zum Ziel gesetzt, die jährliche Besucherzahl Portos von 2,5 auf 3,5 Millionen zu steigern. „Wir können hier locker 5000 Leute pro Tag aufnehmen, davon sind wir noch meilenweit entfernt“, sagt sein Marketingdirektor Richard Bowden. Das hat auch mit der Pandemie zu tun, aber Corona sollte Portos unaufhaltsamen Aufstieg nicht mehr allzu lange bremsen.
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