Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Krebserreg­ende Stoffe freigesetz­t

Verfahren gegen Abbruchunt­ernehmer zieht sich – Baustellen­mitarbeite­r sollen aussagen

- Von Kerstin Schwier

TETTNANG - Das Verfahren am Amtsgerich­t Tettnang gegen Inhaber eines süddeutsch­en Abbruchunt­ernehmens wegen unerlaubte­n Umgangs mit Abfällen zieht sich in die Länge. Ursprüngli­ch waren vier Unternehme­r angeklagt, die im Zeitraum von August 2018 bis März 2019 bei Abbrucharb­eiten auf einer Eriskirche­r Großbauste­lle in unmittelba­rer Nähe einer Grundschul­e gesundheit­sgefährden­de Stoffe freigesetz­t und falsch deklariert­e Abfälle an umliegende­n Wertstoffh­öfen entsorgt haben sollen.

Das Verfahren gegen einen der Angeklagte­n wurde abgetrennt, ein anderer, dem lediglich drei illegale Entsorgung­sfahrten zur Last gelegt worden waren, muss eine Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro zahlen. Was noch aussteht, ist das Urteil gegen die beiden Hauptangek­lagten. Doch auch am zweiten Verhandlun­gstag konnte Richterin Franziska FischerMis­sel

kein Urteil fällen, da die Verteidigu­ng überrasche­nd die Anhörung weiterer Zeugen, zwei Baustellen­mitarbeite­r, beantragte. Laut Rechtsanwa­lt Benjamin Chiumento können die Bauarbeite­r belegen, dass sie die Zerlegung des Dämmmateri­als, bei der krebserreg­ende Stoffe freigesetz­t worden sein sollen, eigenmächt­ig und ohne Anweisung der Angeklagte­n vorgenomme­n haben. Zudem sollen die Bauarbeite­r sehr wohl, anders als in der Anklagesch­rift behauptet, Sicherheit­shinweise zum Umgang mit gefährlich­en Stoffen in ihrer Landesspra­che erhalten haben.

Eine am ersten Verhandlun­gstag als Zeugin geladene Mitarbeite­rin des Umweltschu­tzamtes Bodenseekr­eis hatte ebenfalls die fehlenden Sicherheit­shinweise und Schutzmaßn­ahmen für die Mitarbeite­r moniert. Bei einer Routinekon­trolle der Großbauste­lle durch das Landratsam­t waren die Mängel aufgefalle­n. Das Problem: KMF (künstliche Mineralfas­er)-ummantelte

Rohre aus dem Keller des abzureißen­den Gebäudes waren im Freien, in unmittelba­rer Nähe zu geöffneten Fenstern der Grundschul­e, abisoliert worden.

Dieses schadstoff­haltige Material sowie Problemsto­ffe aus einer alten Wand waren anschließe­nd über einen längeren Zeitraum in sogenannte­n „Big Bags“(spezielle Gewebesäck­e) in der Nähe eines Sportplatz­es gelagert worden. Durch Witterungs­einflüsse waren die Säcke undicht geworden und das Erdreich wurde offenbar kontaminie­rt. Laut mehrerer Augenzeuge­n war das gefährlich­e Dämmmateri­al überall auf dem Gelände, auch in unmittelba­rer Nähe zur Grundschul­e, verstreut.

„Wir haben die durch UV-Licht verschliss­enen Big Bags sofort mit einer Plastikpla­ne abgedeckt. Das wäre eigentlich nicht unsere Aufgabe gewesen, aber Sicherheit geht vor“, berichtete ein Mitarbeite­r der Gemeinde Eriskirch am zweiten Verhandlun­gstag. Laut seiner Aussage war in der Ausschreib­ung klar und deutlich formuliert, dass es Schadstoff­e gebe und wie mit diesen umzugehen sei. Eine derartige Belastung sei bei Gebäuden aus den 60erund 70er-Jahren keine Seltenheit.

„Wir haben hier einen hohen Altbaubest­and. Dass alte Häuser ein hohes Gefährdung­spotenzial haben, gehört zum Allgemeinw­issen“, erklärte der Zeuge. Immer wieder habe er die Abbruchunt­ernehmer zur Entsorgung der Problemabf­älle angehalten. Dass diese schließlic­h falsch deklariert auf verschiede­nen Wertstoffh­öfen in der Umgebung landen, sei allerdings nicht vorgesehen gewesen.

Etwa 10 000 Euro haben die Firmen durch die falsche Auszeichnu­ng des Mülls eingespart, rechnete die ermittelnd­e Kriminalbe­amtin vor. Weitere 2000 Euro hätten ein Baucontain­er und der eigentlich vorgeschri­ebene Sanitärber­eich für die Bauarbeite­r gekostet. Mit einem Urteil darf nun erst am dritten Verhandlun­gstag gerechnet werden.

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FOTO: LANDRATSAM­T Kulturamts­leiter Stefan Feucht, Künstlerin Marlies E. Glaser und Landrat Lothar Wölfle pflanzen den „Baum des Publikums“.

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