Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mögliche OB-Kandidaten halten sich noch bedeckt
Gedankenspiele in Weingarten um Nachfolger für Markus Ewald – Ein prominenter Politiker sagt bereits ab
WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten bekommt im Jahr 2022 einen neuen Oberbürgermeister oder eine neue Oberbürgermeisterin. Das ist seit der Rücktrittsankündigung von Amtsinhaber Markus Ewald im September klar. Wann genau gewählt wird, und ab wann der Sieger oder die Siegerin dann die Amtsgeschäfte aufnehmen wird, ist dagegen noch offen. Verwaltung und Regierungspräsidium Tübingen (RP) stecken derzeit den formalen Rahmen ab. Bis das nicht abgeschlossen oder der Bewerbungszeitraum erreicht ist, wird wohl kaum ein Kandidat öffentlich über eine mögliche Kandidatur sprechen. Doch genau das ist aktuell eine der spannendsten Fragen für die Weingartener Bürger. Während Bewerbungen einiger Personen vermeintlich nahe liegen, winken andere denkbare Kandidatiden schon ab oder dürfen nicht. Einige Gedankenspiele.
Zu aller erst muss an dieser Stelle Bürgermeister genannt werden. Seit mehr als sieben Jahren ist er mittlerweile Ewalds Stellvertreter. Ruhig und unaufgeregt übt er den Posten des Finanz- und Baubürgermeisters aus. Mit Ewalds schwerem Verkehrsunfall im Dezember 2019 rückte er schlagartig in die vorderste Reihe. Ein Jahr lang vertrat Geiger den OB, ohne die eigenen Aufgaben zu vernachlässigen. In dieser Zeit betonte er aber auch immer wieder glaubhaft, dass er sich auf die Rückkehr von Ewald freue. Nicht zuletzt, weil er nach eigener Aussage nicht so gerne in der ersten Reihe stehe. Allerdings hat Geiger während der Interimszeit bewiesen, dass er genau das kann. Innerhalb eines Jahres legte er mit Blick auf sein öffentliches Auftreten eine rasante Entwicklung hin. Zudem gab Ewald nach seiner Rückkehr immer mehr Verantwortung an seinen Stellvertreter ab und sprach dabei auch immer wieder von einer Doppelspitze.
Doch nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die persönliche Vita sprechen für Geiger. In Weingarten hat er seinen Wehrdienst
Alexander Geiger
geleistet, an der Hochschule Ravensburg-Weingarten studiert und seine Ausbildung bei der Stadt absolviert. Über Baindt, Biberach und Meersburg kam der Finanzexperte letztlich nach Weingarten, wo er seit sieben Jahren fachlich wie menschlich geschätzt wird. Angesichts dessen werden es die Weingartener wohl auch verschmerzen, dass Geiger in Ravensburg geboren wurde – im April 1962. Er wird im Wahljahr also 60 Jahre alt.
Eine weitere naheliegende „interne Lösung“wäre Verwaltungsdirektorin Lange arbeitete die heute 48-jährige Juristin in einer Weingartener Rechtsanwaltskanzlei, bevor sie 2015 zur Stadt kam und die Abteilung „Liegenschaften“im Fachbereich „Planen und Bauen“übernahm. 2018 trat Burg die Nachfolge vom langjährigen Verwaltungsdirektor Günter Staud an. Sie setzt auf flache Hierarchien, Teamgeist und Kommunikation. Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Offenheit sind ihr wichtig. Und die gesamte interne Personalverantwortung liegt ohnehin schon bei der ersten weiblichen Fachbereichsleiterin der Stadt Weingarten. Warum also nicht auch erste Oberbürgermeisterin werden?
Auch Fachbereichsleiter für Gesellschaft, Bildung und Soziales, wäre eine Kandidatur zuzutrauen. Allerdings sprechen die Umstände wohl eher nicht dafür. Beck, der sich 2002 in Baindt vergeblich als Bürgermeister beworben hatte – wie im übrigen damals auch Alexander Geiger –, ist mit seinem Fachbereich schon mehr als genug ausgelastet. Ob der 56-Jährige sich eine Kandidatur nach vielen herausfordernden Jahren mit einer hohen Arbeitsbelastung noch antut, kann stark bezweifelt werden.
Auf die jeweiligen persönlichen SZ-Anfragen antworteten Geiger, Burg und Beck gemeinschaftlich: „Die Stadtverwaltung hat zunächst vorrangig die Aufgabe, die OB-Wahl in Weingarten in enger Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Tübingen vorzubereiten und zu organisieren. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass persönliche Entscheidungen
Sylvia Burg.
Rainer Beck,
von den mit der Wahlvorbereitung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – dies gilt für den gesamten Führungsstab der Stadtverwaltung – aus Gründen der gebotenen Neutralität bis zur Ausschreibung der Stelle zurückgestellt werden müssen.“
Und auch Geschäftsführer des Weingartener Stadtmarketings, der Ambitionen haben könnte, will sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht zu einer möglichen Kandidatur äußern: „Ich bitte um Verständnis, dass ich mich als Mitarbeiter der Stadt Weingarten nicht an den Spekulationen hinsichtlich der Nachfolge von Herrn Ewald beteilige.“Ohnehin ist fraglich, ob er seinen Hut in den Ring werfen wird. Dafür war die Niederlage bei den jüngsten Bürgermeister-Wahlen in Baindt wohl einfach zu deutlich. Als Simone Rürup im Dezember 2018 mit 64,9 Prozent der Stimmen zur neuen Bürgermeisterin gewählt wurde, erhielt Schmid gerade einmal 7,4 Prozent.
Als „externe Lösung“wäre
denkbar. Der Bürgermeister aus Fronreute und Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Kreistag hat in den vergangenen Jahren seine Qualitäten unter Beweis gestellt, ist in politischen Kreisen hoch angesehen und gut vernetzt – und mit 49 Jahren auch im passenden Alter. Allerdings wollte auch er sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu einer möglichen Kandidatur äußern. Und auch Ravensburgs Erster Bürgermeister wäre eine denkbare Option. In Weingarten könnte er aus dem Schatten des Ravensburger Oberbürgermeisters Daniel Rapp heraustreten und selbst noch stärker gestalten. Die Qualifikation dafür hätte er zweifelsohne. Allerdings winkt der 46-Jährige schon jetzt ab: „Ich bin sehr gerne in Ravensburg. Die Aufgaben machen mir Spaß und füllen mich derzeit vollkommen aus. Für eine Kandidatur als Oberbürgermeister in Weingarten stehe ich deshalb definitiv nicht zur Verfügung.“
Das gilt auch für den Ravensburger Rechtsanwalt
allerdings aus einem anderen
Spieß
Marcus Schmid,
Simon Blümcke
Oliver
Klaus Guggenberger,
Grund. Er hatte bei Markus Ewalds Wiederwahl 2016 kandidiert und seinerzeit beachtliche 25,7 Prozent der Stimmen erhalten. Allerdings ist Guggenberger mittlerweile 70 Jahre alt. In Baden-Württemberg darf man bei einer Bürgermeisterwahl aber nicht älter als 68 Jahre sein, weswegen er ausscheidet. „Sonst hätte ich mir das in der Tat noch einmal überlegt“, sagt er.
Doch dürfte der Posten des Weingartener Oberbürgermeisters nicht nur in der Region, sondern auch landesund im Zweifel sogar bundesweit interessant sein. Für Städte in einer solchen Größe in einer attraktiven und prosperierenden Region stellen oftmals auch die mitgliederstarken Parteien wie CDU und SPD einen Kandidaten. Für solche Fälle wurden lange Zeit sogar spezielle Listen geführt. Mit Blick auf die zurückliegenden Erfolge der Grünen in Baden-Württemberg und dem Mittleren
Schussental wäre auch ein Bewerber aus deren Reihen vorstellbar. Daher darf durchaus mit einem oder mehreren Kandidaten mit einem Parteihintergrund gerechnet werden.
Ebenfalls offen bleibt die Frage, wer sich den finanziell herausfordernden Wahlkampf leisten kann und will. Im Schnitt rechnet man mit einem Euro pro Bürger, was in Weingarten etwa 25 000 Euro entsprechen würde. Und auch die wohl ebenfalls im kommenden Jahr anstehende Oberbürgermeister-Wahl in Laupheim könnte das Kandidatenfeld in Weingarten beeinflussen. Schließlich scheidet auch hier der Amtsinhaber krankheitsbedingt aus. Daher könnten sich mögliche Bewerber auch für eine Kandidatur in Laupheim entscheiden. Zwar ist die Stadt mit knapp 23 000 Einwohnern etwas kleiner als Weingarten, steht finanziell aber deutlich besser da. Klar ist auf jeden Fall: Es wird spannend.