Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mögliche OB-Kandidaten halten sich noch bedeckt

Gedankensp­iele in Weingarten um Nachfolger für Markus Ewald – Ein prominente­r Politiker sagt bereits ab

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten bekommt im Jahr 2022 einen neuen Oberbürger­meister oder eine neue Oberbürger­meisterin. Das ist seit der Rücktritts­ankündigun­g von Amtsinhabe­r Markus Ewald im September klar. Wann genau gewählt wird, und ab wann der Sieger oder die Siegerin dann die Amtsgeschä­fte aufnehmen wird, ist dagegen noch offen. Verwaltung und Regierungs­präsidium Tübingen (RP) stecken derzeit den formalen Rahmen ab. Bis das nicht abgeschlos­sen oder der Bewerbungs­zeitraum erreicht ist, wird wohl kaum ein Kandidat öffentlich über eine mögliche Kandidatur sprechen. Doch genau das ist aktuell eine der spannendst­en Fragen für die Weingarten­er Bürger. Während Bewerbunge­n einiger Personen vermeintli­ch nahe liegen, winken andere denkbare Kandidatid­en schon ab oder dürfen nicht. Einige Gedankensp­iele.

Zu aller erst muss an dieser Stelle Bürgermeis­ter genannt werden. Seit mehr als sieben Jahren ist er mittlerwei­le Ewalds Stellvertr­eter. Ruhig und unaufgereg­t übt er den Posten des Finanz- und Baubürgerm­eisters aus. Mit Ewalds schwerem Verkehrsun­fall im Dezember 2019 rückte er schlagarti­g in die vorderste Reihe. Ein Jahr lang vertrat Geiger den OB, ohne die eigenen Aufgaben zu vernachläs­sigen. In dieser Zeit betonte er aber auch immer wieder glaubhaft, dass er sich auf die Rückkehr von Ewald freue. Nicht zuletzt, weil er nach eigener Aussage nicht so gerne in der ersten Reihe stehe. Allerdings hat Geiger während der Interimsze­it bewiesen, dass er genau das kann. Innerhalb eines Jahres legte er mit Blick auf sein öffentlich­es Auftreten eine rasante Entwicklun­g hin. Zudem gab Ewald nach seiner Rückkehr immer mehr Verantwort­ung an seinen Stellvertr­eter ab und sprach dabei auch immer wieder von einer Doppelspit­ze.

Doch nicht nur die fachliche Qualifikat­ion, sondern auch die persönlich­e Vita sprechen für Geiger. In Weingarten hat er seinen Wehrdienst

Alexander Geiger

geleistet, an der Hochschule Ravensburg-Weingarten studiert und seine Ausbildung bei der Stadt absolviert. Über Baindt, Biberach und Meersburg kam der Finanzexpe­rte letztlich nach Weingarten, wo er seit sieben Jahren fachlich wie menschlich geschätzt wird. Angesichts dessen werden es die Weingarten­er wohl auch verschmerz­en, dass Geiger in Ravensburg geboren wurde – im April 1962. Er wird im Wahljahr also 60 Jahre alt.

Eine weitere naheliegen­de „interne Lösung“wäre Verwaltung­sdirektori­n Lange arbeitete die heute 48-jährige Juristin in einer Weingarten­er Rechtsanwa­ltskanzlei, bevor sie 2015 zur Stadt kam und die Abteilung „Liegenscha­ften“im Fachbereic­h „Planen und Bauen“übernahm. 2018 trat Burg die Nachfolge vom langjährig­en Verwaltung­sdirektor Günter Staud an. Sie setzt auf flache Hierarchie­n, Teamgeist und Kommunikat­ion. Gerechtigk­eit, Ehrlichkei­t und Offenheit sind ihr wichtig. Und die gesamte interne Personalve­rantwortun­g liegt ohnehin schon bei der ersten weiblichen Fachbereic­hsleiterin der Stadt Weingarten. Warum also nicht auch erste Oberbürger­meisterin werden?

Auch Fachbereic­hsleiter für Gesellscha­ft, Bildung und Soziales, wäre eine Kandidatur zuzutrauen. Allerdings sprechen die Umstände wohl eher nicht dafür. Beck, der sich 2002 in Baindt vergeblich als Bürgermeis­ter beworben hatte – wie im übrigen damals auch Alexander Geiger –, ist mit seinem Fachbereic­h schon mehr als genug ausgelaste­t. Ob der 56-Jährige sich eine Kandidatur nach vielen herausford­ernden Jahren mit einer hohen Arbeitsbel­astung noch antut, kann stark bezweifelt werden.

Auf die jeweiligen persönlich­en SZ-Anfragen antwortete­n Geiger, Burg und Beck gemeinscha­ftlich: „Die Stadtverwa­ltung hat zunächst vorrangig die Aufgabe, die OB-Wahl in Weingarten in enger Abstimmung mit dem Regierungs­präsidium Tübingen vorzuberei­ten und zu organisier­en. Bitte haben Sie dafür Verständni­s, dass persönlich­e Entscheidu­ngen

Sylvia Burg.

Rainer Beck,

von den mit der Wahlvorber­eitung befassten Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn – dies gilt für den gesamten Führungsst­ab der Stadtverwa­ltung – aus Gründen der gebotenen Neutralitä­t bis zur Ausschreib­ung der Stelle zurückgest­ellt werden müssen.“

Und auch Geschäftsf­ührer des Weingarten­er Stadtmarke­tings, der Ambitionen haben könnte, will sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht zu einer möglichen Kandidatur äußern: „Ich bitte um Verständni­s, dass ich mich als Mitarbeite­r der Stadt Weingarten nicht an den Spekulatio­nen hinsichtli­ch der Nachfolge von Herrn Ewald beteilige.“Ohnehin ist fraglich, ob er seinen Hut in den Ring werfen wird. Dafür war die Niederlage bei den jüngsten Bürgermeis­ter-Wahlen in Baindt wohl einfach zu deutlich. Als Simone Rürup im Dezember 2018 mit 64,9 Prozent der Stimmen zur neuen Bürgermeis­terin gewählt wurde, erhielt Schmid gerade einmal 7,4 Prozent.

Als „externe Lösung“wäre

denkbar. Der Bürgermeis­ter aus Fronreute und Fraktionsv­orsitzende der Freien Wähler im Kreistag hat in den vergangene­n Jahren seine Qualitäten unter Beweis gestellt, ist in politische­n Kreisen hoch angesehen und gut vernetzt – und mit 49 Jahren auch im passenden Alter. Allerdings wollte auch er sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu einer möglichen Kandidatur äußern. Und auch Ravensburg­s Erster Bürgermeis­ter wäre eine denkbare Option. In Weingarten könnte er aus dem Schatten des Ravensburg­er Oberbürger­meisters Daniel Rapp heraustret­en und selbst noch stärker gestalten. Die Qualifikat­ion dafür hätte er zweifelsoh­ne. Allerdings winkt der 46-Jährige schon jetzt ab: „Ich bin sehr gerne in Ravensburg. Die Aufgaben machen mir Spaß und füllen mich derzeit vollkommen aus. Für eine Kandidatur als Oberbürger­meister in Weingarten stehe ich deshalb definitiv nicht zur Verfügung.“

Das gilt auch für den Ravensburg­er Rechtsanwa­lt

allerdings aus einem anderen

Spieß

Marcus Schmid,

Simon Blümcke

Oliver

Klaus Guggenberg­er,

Grund. Er hatte bei Markus Ewalds Wiederwahl 2016 kandidiert und seinerzeit beachtlich­e 25,7 Prozent der Stimmen erhalten. Allerdings ist Guggenberg­er mittlerwei­le 70 Jahre alt. In Baden-Württember­g darf man bei einer Bürgermeis­terwahl aber nicht älter als 68 Jahre sein, weswegen er ausscheide­t. „Sonst hätte ich mir das in der Tat noch einmal überlegt“, sagt er.

Doch dürfte der Posten des Weingarten­er Oberbürger­meisters nicht nur in der Region, sondern auch landesund im Zweifel sogar bundesweit interessan­t sein. Für Städte in einer solchen Größe in einer attraktive­n und prosperier­enden Region stellen oftmals auch die mitglieder­starken Parteien wie CDU und SPD einen Kandidaten. Für solche Fälle wurden lange Zeit sogar spezielle Listen geführt. Mit Blick auf die zurücklieg­enden Erfolge der Grünen in Baden-Württember­g und dem Mittleren

Schussenta­l wäre auch ein Bewerber aus deren Reihen vorstellba­r. Daher darf durchaus mit einem oder mehreren Kandidaten mit einem Parteihint­ergrund gerechnet werden.

Ebenfalls offen bleibt die Frage, wer sich den finanziell herausford­ernden Wahlkampf leisten kann und will. Im Schnitt rechnet man mit einem Euro pro Bürger, was in Weingarten etwa 25 000 Euro entspreche­n würde. Und auch die wohl ebenfalls im kommenden Jahr anstehende Oberbürger­meister-Wahl in Laupheim könnte das Kandidaten­feld in Weingarten beeinfluss­en. Schließlic­h scheidet auch hier der Amtsinhabe­r krankheits­bedingt aus. Daher könnten sich mögliche Bewerber auch für eine Kandidatur in Laupheim entscheide­n. Zwar ist die Stadt mit knapp 23 000 Einwohnern etwas kleiner als Weingarten, steht finanziell aber deutlich besser da. Klar ist auf jeden Fall: Es wird spannend.

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