Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Das Unverhofft-Topspiel
Freiburg will auch gegen die Bayern die Unschlagbar-Serie ausbauen – Spieler bremsen
FREIBURG - Es ist schon seit Jahren beinahe Fußballfolklore, bewundernd nach Freiburg zu schauen. Der sympathische Verein aus dem Breisgau mit seinem leicht kauzigen Trainer, der es immer irgendwie schafft, in der Liga zu bleiben – und wenn nicht, dann mit demselben Personal zumindest ein Jahr später wieder erstklassig zu sein. Doch aktuell ist etwas anders. Wenn der Branchenprimus aus Bayern am Samstag (15.30/Sky) die Breisgauer in München empfängt, dann ist das nicht irgendeine Partie, sondern das Spitzenspiel der Bundesliga. Die Beobachter reiben sich seit Wochen erstaunt die Augen angesichts der Serie des SC. Denn auch wenn die Saison bereits zehn Spieltage alt ist, so ist der vergleichsweise kleine SportClub aus dem Breisgau noch ungeschlagen – und das als einziger Verein in der Liga. Der SC steht auf Platz drei, hat 22 Punkte sowie gerade mal sieben Gegentore und damit die mit Abstand wenigsten aller Teams kassiert. Daher schaut Fußballdeutschland nun gebannt in die Allianz Arena.
Dabei kommt diese Konstellation für alle Beteiligten überraschend. „Wir haben eine Ausgangssituation, mit der niemand rechnen konnte“, sagte Freiburgs Kapitän Christian Günter: „Man kann vielleicht mal nach dem dritten Spieltag als SC Freiburg zum Spitzenspiel nach München fahren. Aber nach zehn Spieltagen war das so, glaube ich, noch nie der Fall.“Tätsächlich ist dies eine Premiere. Niemals zuvor befanden sich beide Mannschaften vor einem direkten Duell in den Top drei. „Manchmal sagen wir: Wie krass, wir haben seit August nicht mehr verloren! Das kennt so keiner von uns“, sagte Verteidiger Lukas Kübler im „Kicker“-Interview.
Höhenluft und bald der tiefe Fall? Möglich, doch scheint die Entwicklickung eher der Lohn jahrelanger sorgfältiger und bodenständiger Arbeit von Verein und Trainer Christian Streich. Dass der dienstälteste Trainer, der von vielen Experten auch als bester Coach der Liga gesehen wird, den Großteil seiner Mannschaft schon seit Jahren unter seinen Fittichen hat und im Sommer nicht den sonst gewohnten Umbruch verkraften musste, zahlt sich nun aus.
Der Kader ist in der Breite so gut besetzt wie nie zuvor. Leistungsträger wie Christian Günter, Vincenzo Grifo, Nicolas Höfler und Lucas Höler zeigen Woche für Woche ihr Können. Dazu kommen aufstrebende Profis wie Nico Schlotterbeck, Mark Flekken und Kevin Schade, die Topspieler-Potenzial haben. „Jeder Einzelne hat sich verbessert und mehr Erfahrung“, erklärte Kübler den Erfolg:
„Weil es in der Liga nur um Nuancen geht, haben wir dadurch einen großen Schritt gemacht.“
Den Übungsleiter Streich auch vor dem Spiel gegen den Rekordmeister nicht überhöhen will – was ebenso zum wöchentlichen Ritus des 56-Jährigen gehört. Dennoch hat mittlerweile ein leicht anderer Ton Einzug gehalten. Man weiß auch an der Dreisam, dass ein ganz tiefer Fall (der Abstieg und damit das Verfehlen des Mindestziels) in diesem Jahr wohl weit weg ist. „Das ist grundsätzlich angenehm“, kommentierte Erfolgstrainer Streich daher auch völlig entspannt die Möglichkeit, bei seinem 300. Erstliga-Spiel an der Seitenlinie nach Punkten mit den verwöhnten Rekord-Bayern gleichzuziehen: „Unsere derzeitige Situation führt schon zu einer gewissen Gelassenheit. Die Mannschaft präsentiert sich sehr stabil und sehr hungrig. Es ist schon super, dass wir mit dieser Form der Leichtigkeit nach München fahren können.“
All das führt dazu, dass die Fans bereits von der Königsklasse träumen. Schließlich stand der SC nur einmal so spät in einer Saison auf dem dritten Platz – und blieb es in der Spielzeit 1994/95 auch bis zum Schluss. Dass von den 32 Clubs, die nach dem zehnten Spieltag ungeschlagen waren, am Ende 28 unter den besten Vier landeten, regt die Fantasie der Anhänger zudem an.
Die Profis wollen davon aber nichts wissen. „Wenn wir jetzt schon anfangen zu träumen – ich glaube, das geht einfach nach hinten los“, sagt Kübler: „Mit dieser Haltung laufen wir nicht Gefahr, zu überpacen. Unsere Denkweise ist bescheiden, aber gut, weil sie uns hilft, weiter so zu spielen und nicht rumzuspinnen.“
Denn Spinnereien, das weiß man längst, sind nichts für die Mannen aus dem Breisgau. Ein Sieg in München wäre dennoch ein riesiger Schritt – auch wenn in diesem Punkt die Statistiken gegen die Freiburger sprechen: Noch nie hat der SC bei den Bayern oder auswärts bei einem Spitzenreiter gewonnen. Doch in dieser Saison scheint alles möglich, zudem würde ja auch ein Unentschieden reichen, um die Unschlagbar-Serie auszubauen und weiter die unverhoffte Welle zu surfen. Und wenn es doch nichts werden sollte? Dann wären sie in Freiburg wohl auch nicht groß enttäuscht.