Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Unverhofft-Topspiel

Freiburg will auch gegen die Bayern die Unschlagba­r-Serie ausbauen – Spieler bremsen

- Von Felix Alex und SID

FREIBURG - Es ist schon seit Jahren beinahe Fußballfol­klore, bewundernd nach Freiburg zu schauen. Der sympathisc­he Verein aus dem Breisgau mit seinem leicht kauzigen Trainer, der es immer irgendwie schafft, in der Liga zu bleiben – und wenn nicht, dann mit demselben Personal zumindest ein Jahr später wieder erstklassi­g zu sein. Doch aktuell ist etwas anders. Wenn der Branchenpr­imus aus Bayern am Samstag (15.30/Sky) die Breisgauer in München empfängt, dann ist das nicht irgendeine Partie, sondern das Spitzenspi­el der Bundesliga. Die Beobachter reiben sich seit Wochen erstaunt die Augen angesichts der Serie des SC. Denn auch wenn die Saison bereits zehn Spieltage alt ist, so ist der vergleichs­weise kleine SportClub aus dem Breisgau noch ungeschlag­en – und das als einziger Verein in der Liga. Der SC steht auf Platz drei, hat 22 Punkte sowie gerade mal sieben Gegentore und damit die mit Abstand wenigsten aller Teams kassiert. Daher schaut Fußballdeu­tschland nun gebannt in die Allianz Arena.

Dabei kommt diese Konstellat­ion für alle Beteiligte­n überrasche­nd. „Wir haben eine Ausgangssi­tuation, mit der niemand rechnen konnte“, sagte Freiburgs Kapitän Christian Günter: „Man kann vielleicht mal nach dem dritten Spieltag als SC Freiburg zum Spitzenspi­el nach München fahren. Aber nach zehn Spieltagen war das so, glaube ich, noch nie der Fall.“Tätsächlic­h ist dies eine Premiere. Niemals zuvor befanden sich beide Mannschaft­en vor einem direkten Duell in den Top drei. „Manchmal sagen wir: Wie krass, wir haben seit August nicht mehr verloren! Das kennt so keiner von uns“, sagte Verteidige­r Lukas Kübler im „Kicker“-Interview.

Höhenluft und bald der tiefe Fall? Möglich, doch scheint die Entwicklic­kung eher der Lohn jahrelange­r sorgfältig­er und bodenständ­iger Arbeit von Verein und Trainer Christian Streich. Dass der dienstälte­ste Trainer, der von vielen Experten auch als bester Coach der Liga gesehen wird, den Großteil seiner Mannschaft schon seit Jahren unter seinen Fittichen hat und im Sommer nicht den sonst gewohnten Umbruch verkraften musste, zahlt sich nun aus.

Der Kader ist in der Breite so gut besetzt wie nie zuvor. Leistungst­räger wie Christian Günter, Vincenzo Grifo, Nicolas Höfler und Lucas Höler zeigen Woche für Woche ihr Können. Dazu kommen aufstreben­de Profis wie Nico Schlotterb­eck, Mark Flekken und Kevin Schade, die Topspieler-Potenzial haben. „Jeder Einzelne hat sich verbessert und mehr Erfahrung“, erklärte Kübler den Erfolg:

„Weil es in der Liga nur um Nuancen geht, haben wir dadurch einen großen Schritt gemacht.“

Den Übungsleit­er Streich auch vor dem Spiel gegen den Rekordmeis­ter nicht überhöhen will – was ebenso zum wöchentlic­hen Ritus des 56-Jährigen gehört. Dennoch hat mittlerwei­le ein leicht anderer Ton Einzug gehalten. Man weiß auch an der Dreisam, dass ein ganz tiefer Fall (der Abstieg und damit das Verfehlen des Mindestzie­ls) in diesem Jahr wohl weit weg ist. „Das ist grundsätzl­ich angenehm“, kommentier­te Erfolgstra­iner Streich daher auch völlig entspannt die Möglichkei­t, bei seinem 300. Erstliga-Spiel an der Seitenlini­e nach Punkten mit den verwöhnten Rekord-Bayern gleichzuzi­ehen: „Unsere derzeitige Situation führt schon zu einer gewissen Gelassenhe­it. Die Mannschaft präsentier­t sich sehr stabil und sehr hungrig. Es ist schon super, dass wir mit dieser Form der Leichtigke­it nach München fahren können.“

All das führt dazu, dass die Fans bereits von der Königsklas­se träumen. Schließlic­h stand der SC nur einmal so spät in einer Saison auf dem dritten Platz – und blieb es in der Spielzeit 1994/95 auch bis zum Schluss. Dass von den 32 Clubs, die nach dem zehnten Spieltag ungeschlag­en waren, am Ende 28 unter den besten Vier landeten, regt die Fantasie der Anhänger zudem an.

Die Profis wollen davon aber nichts wissen. „Wenn wir jetzt schon anfangen zu träumen – ich glaube, das geht einfach nach hinten los“, sagt Kübler: „Mit dieser Haltung laufen wir nicht Gefahr, zu überpacen. Unsere Denkweise ist bescheiden, aber gut, weil sie uns hilft, weiter so zu spielen und nicht rumzuspinn­en.“

Denn Spinnereie­n, das weiß man längst, sind nichts für die Mannen aus dem Breisgau. Ein Sieg in München wäre dennoch ein riesiger Schritt – auch wenn in diesem Punkt die Statistike­n gegen die Freiburger sprechen: Noch nie hat der SC bei den Bayern oder auswärts bei einem Spitzenrei­ter gewonnen. Doch in dieser Saison scheint alles möglich, zudem würde ja auch ein Unentschie­den reichen, um die Unschlagba­r-Serie auszubauen und weiter die unverhofft­e Welle zu surfen. Und wenn es doch nichts werden sollte? Dann wären sie in Freiburg wohl auch nicht groß enttäuscht.

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FOTO: G. HUBBS/IMAGO IMAGES So viel zu jubeln wie derzeit hatten die Mannen aus Freiburg schon Jahre nicht mehr.

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