Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Viele Köche wollen zum Strandhaus
Lindauer Gastronom Klaus Winter lockt mit freiem Wochenende – Das scheint zu funktionieren
LINDAU - Klaus Winter, Inhaber des Lindauer Restaurants Strandhaus, kann sich vor Bewerbern kaum noch retten. Das liegt daran, dass er die Entscheidung getroffen hat, die Ruhe tage auf den Samstag und den Sonntag zu legen – ausgerechnet auf die umsatzstärksten Tage.
Die Idee entstand, weil die Personalprobleme in den vergangenen fünf bis sechs Jahren immer größer wurden. Zuletzt meldete sich kein einziger Koch mehr, als er eine offene Stelle ein halbes Jahr lang ausgeschrieben hatte. Als er begann, gezielt mit dem freien Wochenende zu werben, hat sich das schlagartig geändert. Innerhalb weniger Wochen bewarben sich knapp 60 Köche, Restaurantfachleute und Küchenhilfen. Sieben davon hat er eingestellt.
„Ich bin im Bewerberhimmel“, sagt Winter. Er ist nicht nur glücklich über die hohe Zahl an Bewerbungen, sondern auch über deren Qualität. Nur drei Bewerbungen habe er direkt aussortiert, alle anderen seien gut bis sehr gut gewesen. Unter den Bewerberinnen und Bewerbern sind laut Winter acht Küchenchefs. Knapp die Hälfte komme aus der Region, die andere Hälfte überwiegend aus dem Bundesgebiet. Doch auch aus der Schweiz und sogar aus Dubai seien Bewerbungen angekommen. „Zuerst habe ich das für einen Scherz gehalten“, sagt Winter. Doch das Interesse an einer Stelle im Strandhaus sei echt gewesen.
Einer der neuen Köche ist Peter Fischer. Dass das Strandhaus am Wochenende zu ist, war für ihn der ausschlaggebende Punkt, sich zu bewerben. Der 29-Jährige hat seine Ausbildung im Schachener Hof gemacht und anschließend in verschiedenen guten Küchen gearbeitet. Doch nach der Trennung von seiner Partnerin übernahm er das Sorgerecht für das gemeinsame Kind – und kehrte der Gastronomie den Rücken zu. „Als alleinerziehender Vater hätte es sonst nicht funktioniert“, sagt er. Er wechselte in eine Kantine. Dort habe er zwar geregelte Arbeitszeiten, doch vergleichbar mit der Gastronomie ist die Tätigkeit nicht. „Die Essen werden drei Wochen im Voraus geplant, und es wird genau nach Rezept gekocht“, sagt er. Sogar beim Salz sei die exakte Grammzahl angegeben. In einer Restaurantküche sei es für einen Koch eben interessanter und abwechslungsreicher. Jetzt freut er sich, in die Branche zurückzukehren – und gleichzeitig am Wochenende Zeit mit seiner Familie verbringen zu können.
Für Klaus Winter ist das eine Bestätigung dafür, dass er mit seinem neuen Konzept richtig liegt. Denn er konnte bei vielen Fachkräften Interesse wecken, die die Branche schon gewechselt hatten. Schließlich sei es nicht sein Ziel, anderen Gastronomen die Leute auszuspannen. Doch jetzt habe er so viele neue Mitarbeiter einstellen können, dass er die Öffnungszeiten des Strandhauses sogar wieder erweitern kann. „Ab April werden wir von 12 bis 22 Uhr durchgängig für unsere Gäste da sein, nur eben an fünf Tagen in der Woche“, sagt er. Zuvor waren die Öffnungszeiten aufgrund der schwierigen Personalsituation eingeschränkt, das Restaurant war deshalb nur abends und am Wochenende geöffnet.
Das Strandhaus-Team hat das neue Konzept positiv aufgenommen. „Wir freuen uns total, dass wir jetzt am Wochenende frei haben“, sagt Susan Schröter, Restaurantleiterin des Strandhauses. Auch sie hätte den Beruf beinahe an den Nagel gehängt. Sie ist verheiratet und hat einen neun Jahre alten Sohn. „Als er noch klein war, ging das gut“, sagt sie. Doch als er größer wurde und die Familie auch mal einen Ausflug mit ihm machen wollte, habe sie nie mitkommen können. Auch auf die meisten Feiern von Freunden oder Verwandten habe sie verzichten müssen.
„Es war manchmal ganz schön bitter“, sagt die 40-Jährige. Sie begann, ernsthaft darüber nachzudenken, die Branche zu wechseln. Als sie ein reizvolles Angebot bekam, war ihr Ausstieg schon fast besiegelt. Doch dann stellte Klaus Winter dem Team sein neues Konzept vor – und ihr war sofort klar, dass sie bleiben würde. „Es war schon immer mein Traumberuf“, sagt sie.
Auch Christian Merk wurde von der Entscheidung überrascht. Er arbeitet seit über 30 Jahren als Koch, seit drei Jahren im Strandhaus. Freie Wochenenden kennt er nur aus dem Urlaub. Im Moment kann er sich noch gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlt. „Als ich meiner Frau erzählt habe, dass ich künftig am Wochenende frei habe, hat sie mir zuerst nicht geglaubt“, sagt er. „Wir freuen uns total drauf.“Vorfreude verspürt er aber nicht nur wegen der freien Wochenenden, sondern auch wegen der Arbeit in einem motivierten Team ohne Personalengpässe.
Anders als Koch Merk hat sein Chef künftig aber nicht jedes Wochenende frei: Denn Klaus Winter verlegt sein zweites Standbein, die Grillschule, nun auf die Samstage und Sonntage, an denen sein Restaurant geschlossen ist. Bei rund 30 Kursen, die er im Jahr zusammen mit seiner Frau Jasmin Schwabe-Winter gibt, hat der Gastronom also so einiges zu tun an seinen Wochenenden.
Klaus Winter ist überzeugt, dass seine Gäste von den neuen Öffnungszeiten Montag bis Freitag letztlich profitieren werden. Denn: „Wir wollen das Strandhaus künftig während der gesamten Wintermonate öffnen“, sagt er.
Das sei für Einheimische ein gutes Angebot – weil viele Gasthäuser in Lindau und Umgebung zwischen Januar und März eine längere Betriebsruhe einlegen.