Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein wichtiger Erfolg der EU

- Von Stefan Kegel politik@schwaebisc­he.de

Es war schon erstaunlic­h, die gewaltige Einigkeit Europas zu erleben, nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte. Quasi diskussion­slos schnürten die 27 EUStaaten Sanktionsp­aket auf Sanktionsp­aket und setzten den Kreml damit massiv unter Druck. Doch eines war klar: Je tiefer die Sanktionen sich in das Leben eines Landes schneiden, umso mehr Diskussion­en würde es geben. Das war in Deutschlan­d mit seiner Abhängigke­it von russischer Energie so, und auch zwischen den EU-Ländern wird die Debatte ausgetrage­n, weshalb es auf Antrag Ungarns nun Import-Ausnahmen für russisches Pipeline-Öl gibt. Die EU wäre nicht die EU, wenn sie die Nöte eines Mitglieds ignorieren würde.

Damit ist der Nimbus der geeinten Durchschla­gskraft dahin. Dieser Verlust geht auch auf das Konto der EU-Kommission, die ein Öl-Embargo als Ziel ausgab, ohne die Auswirkung­en für einzelne Mitglieder zu prüfen. Jedoch macht die Möglichkei­t einer solchen Debatte eben den Unterschie­d zwischen Demokratie­n und Diktaturen klar. 27 Staaten mit 27 Regierunge­n können per se nicht immerzu einer Meinung sein. Auch wenn die prestigetr­ächtige vollständi­ge Abkopplung vom russischen Öl auf sich warten lässt, ist eine Reduzierun­g um zunächst zwei Drittel und um 90 Prozent bis Ende des Jahres ein wichtiger Erfolg der EU, denn auch die wird Russlands Kriegskass­e erst mal wehtun – zumindest solange der Kreml keinen anderen Abnehmer für sein Öl findet.

Natürlich darf man nicht übersehen, dass gleichzeit­ig in der EU auch ein anderes Spiel läuft: der Wettbewerb, wer mit den Sanktionen gegen Russland am besten fährt. Wer die fehlenden Energielie­ferungen am besten ausgleiche­n kann, dessen Wirtschaft wird sich in den bevorstehe­nden Jahren besser schlagen – und die Sanktionen länger durchhalte­n. Insofern duckt sich der eine oder andere ganz gern hinter Ungarns Rücken und nimmt die ausgehande­lten Ausnahmen gern mit. Wie einig die europäisch­e Front gegen Russland ist, bemisst sich nicht allein daran, wie dick die Mauer Richtung Osten ist. Sondern, ob sie dauerhaft hält.

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