Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mal wieder dicke Luft
Laut Deutscher Umwelthilfe halten viele Dieselautos weiter Grenzwerte nicht ein – Die Hersteller wehren sich
BERLIN - Für Deutschlands Autofahrer ist der Dieselabgasskandal inzwischen Geschichte. Software-Updates, schärfere EU-Vorgaben und neue Testverfahren sollen Schummeleien unterbinden und die Autos sauberer gemacht haben. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) traut dem nicht und misst regelmäßig nach – mit überraschenden Ergebnissen.
So verfehlen selbst Dieselautos mit Software-Update die Grenzwerte um ein Vielfaches, wie die Organisation nach eigenen Angaben herausgefunden hat. Und auch neuere Fahrzeuge wiesen den Tests der DUH zufolge sehr schlechte Stickoxid-Werte auf. Ein Mercedes-Transporter mit Euro-5-Norm hielt nicht einmal die Grenzwerte der Euro-1Norm von 1993 ein, wie Axel Friedrich, Verkehrsexperte der DUH und Leiter der Tests, sagte. Die Umwelthilfe untersuchte Autos von Audi und Mercedes sowie ein Wohnmobil der oberschwäbischen Marke Cathargo auf Fiat-Ducato-Basis. Dass es auch anders geht, beweisen ein Mercedes C 200 d mit Euro-6d-Norm von 2019. Der Stickoxid-Ausstoß sei mit 15 Milligramm an der Grenze dessen, was sich überhaupt messen lasse, sagte Friedrich. Das Fahrzeug sei extrem sauber. Der Grenzwert liegt bei 80 Milligramm.
Die Autohersteller wehren sich. Die Grenzwerte seien für ein anderes Verfahren festgelegt worden als das, mit dem die DUH jetzt prüfe. Die Industrie bezieht sich auf das frühere Testverfahren, bei dem die Autos nicht im normalen Straßenverkehr, sondern auf dem Prüfstand getestet worden sind. Geändert hat sich das Verfahren in der Folge des Dieselskandals.
Im September 2015 hatte die USUmweltbehörde EPA und die gemeinnützige Organisation ICCT öffentlich gemacht, dass Dieselfahrzeuge von VW auf dem Teststand zwar die gewünschten Grenzwerte für Stickoxide einhielten, im Straßenbetrieb dann aber um ein Vielfaches
überschritten. In Motoren des Typs EA189 waren illegale Abschalteinrichtungen verbaut. Weltweit waren elf Millionen Fahrzeuge betroffen. In den USA musste VW mehr als 100 000 Autos zurücknehmen. Den Konzern kostete der Skandal bisher rund 32 Milliarden Euro. Zahlreiche Gerichtsverfahren laufen noch.
Für zahlreiche Autos wurden Updates der Motorsoftware nötig. Betroffen waren nicht nur Audi, Seat, Skoda und VW. Auch BMW, Mercedes, Opel und Porsche mussten bei bestimmten Fahrzeugtypen die Software aktualisieren. Dazu gab es für viele Fahrzeuge freiwillige Updates. In der Folge des Betrugs wurde in Europa eine neue Messmethode im echten Fahrbetrieb eingeführt, die die Abgaswerte besser bestimmen sollte. Der neue Standard RDE (Real Drive Emissions) gilt für Fahrzeuge der neusten Euro-Norm 6d temp. Er löste das NEFZ-Verfahren ab, ein standardisierter Test auf dem Prüfstand.
Nach dem Betrug mussten die Hersteller ihre Fahrzeuge also nicht nur mit dem neueren Prüfverfahren testen, sondern sie auch mit Updates für die Motorsteuerung ausrüsten. Ohne diese Updates hätte das Kraftfahrtbundesamt den Autos die Zulassung entzogen. Die Hersteller berufen sich nun darauf, dass die Autos mit Updates nach den alten Testverfahren getestet werden müssen und die Ergebnisse der DUH deshalb nicht gültig seien. Die DUH hält dagegen, dass das unerheblich sei mit Blick auf die Tatsache, dass die Autos die Grenzwerte nicht einhalten. Lösen könnte diesen
Widerspruch nur das Bundesverkehrsministerium, das in der Frage aber keine Position bezieht.
Diesmal untersuchte die DUH unter anderem einen Audi A5 Sportback TDI mit Euro-5-Norm von 2012, der den Stickoxid-Grenzwert im Straßenbetrieb um das 11,6-Fache übertraf. Schlechte Werte maßen die Tester auch bei einem Mercedes CLS 350 CDI von 2015, der fast viermal so viel Stickoxide ausstieß, wie nach Euro-5-Norm erlaubt war.
Auch die Wirkung der SoftwareUpdates hat die DUH-Tester nicht überzeugt. Ein Mercedes C 220 d von 2010 stieß immer noch das 2,7-Fache des zulässigen Grenzwertes aus. Ähnlich schlecht waren die Ergebnisse für einen Mercedes Viano 2.2 CDI. Der Bus blies auch mit frischer Software das 4,7-Fache der erlaubten Stickoxide aus. Für Testleiter Friedrich sind diese Ergebnisse ein Beweis, dass die Updates wirkungslos sind.
„Die Aussagen der DUH hinsichtlich angeblicher ,Stickoxid-Grenzwertüberschreitungen‘ bei RDEMessungen von Euro-5- und Euro-6a-c-Fahrzeugen sind schlicht unseriös“, sagte ein Audi-Sprecher. „Für Fahrzeuge mit diesen Abgasnormen gibt es keine gesetzlich vorgeschriebenen RDE-Grenzwerte.“Deshalb könne es auch keine Grenzwertüberschreitungen geben. Die festgelegten Grenzwerte beziehen sich auf das alte standardisierte Prüfstand-Verfahren NEFZ. Die DUH nutzt den heute gültigen Straßentest RDE.
Ein Mercedes-Sprecher sagte: „Wir haben immer darauf hingewiesen, dass unsere Software-Updates die Stickoxid-Emissionen im Durchschnitt der Fahrzeuge um 25 bis 30 Prozent im normalen Fahrbetrieb verbessern.“Er verwies auf das Kraftfahrtbundesamt. Das hatte Anfang 2020 einen Bericht vorgelegt, wie die Software-Updates wirken. Für den Mercedes C 220 d ermittelte die Behörde im RDE-Verfahren 38 Prozent weniger Stickoxide dank Update. Allerdings liegt auch dort der neue Stickoxidwert über dem Grenzwert von 180 Milligramm je Kilometer.